: Moral, teuer bezahlt
■ Betriebsbedingte Kündigung des Kantors Kristahn kostet mehr als eine halbe Millionen
Im Fall des evangelischen Kantors Michael Kristahn wurde gestern vor dem Arbeitsgericht ein vorläufiger Kompromiss erzielt. Nachdem seine Kündigung als Kantor der St.Magnus-Gemeinde aufgrund eines außerehelichen Verhältnisses mit einer Mitarbeiterin der Gemeinde auf allen Instanzen als rechtswidrig erklärt worden war (taz berichtete), hatte die Gemeinde dem Kantor im Juli letzten Jahres erneut die Kündigung ausgesprochen. Dieses Mal aus betriebsbedingten Gründen: Die Bremische Evangelische Kirche (BEK) habe insgesamt an Mitgliedern verloren und müsse deshalb Kürzungen durchführen. Die Richterin rechnete jedoch vor, dass nach dem Personalpunktesystem der BEK, das jeder Gemeinde eine bestimmte Anzahl von Punkten für die Personalkosten zugesteht, kein Bedarf für eine Kündigung bestanden habe. Die Aufgaben des Kantors werden heute von Honorarkräften erledigt. Inzwischen hat Kristahn eine Stelle als A-Kantor im schleswig-holsteinischen Heide gefunden. Diese wird allerdings geringer bezahlt als seine Arbeit in der Bremer Gemeinde und ist außerdem auf nur drei Jahre befristet.
In der gestrigen Verhandlung einigten sich die Parteien darauf, dass die Kündigung vom Juli letzten Jahres zum 31.03.2001 wirksam wird, da der Richterin eine Rücckehr des Kantors aufgrund der persönlichen Differenzen „praktisch nicht machbar“ erschien. Dafür erhält der Kantor eine Abfindung von 155.000 DM und eine nachträgliche Auszahlung seines Lohnes von Oktober 1999 bis April dieses Jahres. Sein Umzug nach Heide wird mit 1.800 DM unterstützt. Die Gemeinde gibt damit unter dem Strich mehr als eine halbe Millionen für eine Kündigung wegen Ehebruch aus.
Michael Kristahn bestand auf einer Widerrufsfrist von sechs Monaten. Das entspricht seiner Probezeit in der Gemeinde in Heide. So hat er die Möglichkeit, sein Zugeständnis zu überdenken und die auch juristisch durchaus strittige Kündigung durch die St.Magnus-Gemeinde doch noch anzufechten. Die unberechtigte Kündigung sei zwar nicht zurückgenommen worden und auch der Unterschied im Verdienst werde nur ansatzweise ausgeglichen, sagte er, dennoch stellt die Entscheidung für ihn einen Schlussstrich dar. Einen Widerspruch innerhalb der Frist wollte er nicht ausschließen.
Die anwesenden Mitglieder der Gemeinde wussten zu berichten, dass der spektakuläre Weggang des Kantors nicht ohne Folgen für das Gemeindeleben geblieben sei. Der Altersdurchschnitt des zuvor von Kristahn geleiteten Chors ist deutlich gestiegen und gerade an Heilig -abend waren deutlich weniger Schäfchen zu zählen. VvO
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