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Eine große Koalition für Israel

Bei den Verhandlungen über eine Regierungsbildung sind sich Likud und Arbeitspartei grundsätzlich einig. Beide geben sich kompromissbereit. Gegenüber den Palästinensern wird eine Interimsregelung an Stelle einer endgültigen Lösung angestrebt

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Die Delegationen von Likud und Arbeitspartei, die seit knapp einer Woche über eine Koalition verhandeln, sind sich so gut wie einig. Gemäß der bisher vereinbarten Regierungsrichtlinien wird sich Israel gegenüber den Palästinensern an „sämtliche von der Knesset verabschiedeten Verträge halten“. Ferner sollen keine neuen Siedlungen errichtet werden, jedoch bereits bestehende „entsprechend des natürlichen Wachstums vergrößert“ werden. An Stelle der von der amtierenden Regierung Ehud Barak angestrebten endgültigen Lösung mit den Palästinensern will Israel künftig „per Interimsregelungen“ eine friedliche Lösung erreichen.

„Nur wenn wir eine gemeinsame Linie im Friedensprozess finden“, so hatte Schimon Peres, Minister für Regionale Zusammenarbeit, noch am Wahltag die Bedingung für eine große Koalition formuliert. Inzwischen findet der mutmaßliche Außenminister in spe die Ämter von Finanz- und Verteidigungsminister wichtiger als „die Formulierung der Regierungsrichtlinien“. Der Chef des Verteidigungsministeriums verfüge ohnehin über „mehr Entscheidungsgewalt, als die Formulierungen zulassen“. Peres hatte in den vergangenen Tagen enthusiastisch für ein Zusammengehen mit dem künftigen Ministerpräsidenten Ariel Scharon gearbeitet.

„Die Sache ist unter Dach und Fach“, meinte Justizminister Jossi Beilin gestern im israelischen Rundfunk verbittert. Beilin ist einer der entschiedensten Gegner einer großen Koalition. Während der Likud auf einige Posten verzichtete, habe „die Arbeitspartei ihre Ideologien aufgeben“, wenn sie statt einer endgültigen Lösung jetzt eine Interimsregelung anstrebe. Beilin sprach von einem „historischen Fehler“ und schimpfte auf seine Parteigenossen, die „sich mitschuldig machen“, wenn es Eskalationen gibt, mit denen er rechnet. Der Justizminister hatte schon letzte Woche angekündigt, die Partei zu verlassen, sollte sie sich einer Koalition mit Scharon anschließen. Auch Außenminister Schlomo Ben-Ami will sich „unter keinen Umständen“ einer großen Koalition anschließen.

Ehud Barak, noch amtierender Ministerpräsident, hatte in einem Telefonat mit seinem Nachfolger noch versucht, die vereinbarten Formulierungen um zwei Punkte zu erweitern. Dabei ging es um die Gründung des Staates Palästina und eine mögliche „Evakuierung isolierter Siedlungen“.

In den Reihen der Arbeitspartei und vor allem im Umfeld von Peres war kurzfristig die Sorge laut geworden, dass Barak die große Koalition sabotieren wolle. Der Ministerpräsident beruhigte schließlich damit, dass seine Änderungsvorschläge nicht ultimativ seien. Unter anderen Aktivisten der Arbeitspartei kam indes die Befürchtung auf, dass der Parteitag sich schwer tun werde, einer großen Koalition zuzustimmen, wenn diese beiden Punkte nicht erwähnt würden.

Der Likud verzichtete in den Richtlinien vor allem auf das Festhalten an der Unteilbarkeit Jerusalems und die Souveränität Israels über den Tempelberg. Damit errangen die Delegierten der Arbeitspartei einen Erfolg gegenüber Ehud Olmert, Bürgermeister von Jerusalem, der die Verhandlungen im Auftrag Scharons leitet. Ebenso blieb unerwähnt, dass Israel ein Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge ablehnt und territoriale Kompromisse im Jordantal ausschließt.

Diese drei Punkte hatte Ariel Scharon im Verlauf des Wahlkampfes wiederholt als seine „roten Linien“ für künftige Verhandlungen mit den Palästinensern angekündigt. Scharon lässt den Formulierungen der Regierungsgrundlagen offenbar keine große Bedeutung zukommen.

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