piwik no script img

Geheimnisverrat als Pflicht?

Weil der PDS-Abgeordnete Freke Over Polizeiprotokolle von den Ausschreitungen am 1. Mai veröffentlichte, steht er heute vor Gericht. Den Vorwurf versteht er nicht

Der PDS-Abgeordnete Freke Over ist es gewöhnt, dass seine Immunität als Parlamentarier aufgehoben wird. Heute steht der 32-Jährige das sechste Mal als Abgeordneter vor Gericht. Diesmal wirft die Staatsanwaltschaft ihm vor, gegen das Telekommunikationsgesetz verstoßen zu haben.

Der Grund: Over hatte nach den Ausschreitungen am 1. Mai 1999 Protokolle des Polizeifunks auf einer Pressekonferenz veröffentlicht. Den daraus resultierenden Strafbefehl in Höhe von 9.636 Mark hatte er nicht angenommen. Nun muss sich der Abgeordnete für die Weitergabe der Mitschnitte verantworten.

Auf der Pressekonferenz hatte Over die Mitschrift des Polizeifunks mit Gedächtnisprotokollen von Demonstrationsteilnehmern verglichen und damit nachweisen wollen, dass die Polizei mit einer Härte „weit über das normale Maß“ gegen die Demonstranten vorgegangen war. In einem Ausschnitt hieß es, „ . . . die Teilnehmer haben nicht die Möglichkeit, aus der Sanderstraße rauszukommen, die sind wohl eingekesselt, und die Bullen drehen völlig durch . . . was ihnen zwischen die Beine kommt bzw. zwischen den Knüppel kommt . . . “ Im Innenausschuss war der Polizeieinsatz auf heftige Kritik gestoßen. Über 20 Verfahren wurden gegen Polizeibeamte eingeleitet.

In der Veröffentlichung der Abschrift des Polizeifunks kann der Landespolitiker Over keine Straftat sehen. Vielmehr gehöre es zu seinen Aufgaben als Abgeordneter, politische Skandale aufzudecken, so Over. Umso erstaunlicher sei es daher, dass ihm auch in dieser Sache der Schutz der parlamentarischen Immunität entzogen worden ist.

Mit der sechsten Aufhebung seiner Immunität kann Over einen Rekord anmelden. Wie bei den Polizeimitschnitten gehen auch die anderen Strafverfahren auf politische Aktionen zurück: darunter der Vorwurf der Körperverletzung gegen einen Polizeibeamten während eines Rekrutengelöbnisses und ein Verfahren wegen Hausfriedensbruchs, weil Over mit Obdachlosen im Hotel Adlon demonstriert hatte. WIBKE BERGEMANN

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen