piwik no script img

Koch begeistert von sich selbst

Der hessische Ministerpräsident vor dem Berliner Untersuchungsausschuss: Ein angeblich neues schwarzes Konto bei der Hessen-CDU sei längst bekannt. Und dafür, dass so viel Geld versteckt war, sei die weiterhin ungeklärte Summe doch gering

von SEVERIN WEILAND

Am Morgen hatte die PDS-Obfrau im Berliner Untersuchungsausschuss Evelyn Kenzler mit einer Sensation aufgewartet. In Unterlagen der Wirtschaftsprüfer Ernst & Young, die am Vorabend auf ihren Antrag hin von der hessischen CDU in ihr Büro gefaxt worden waren, habe sie Hinweise auf ein neues Schwarzgeldkonto gefunden. 700.000 Mark habe der Exwirtschaftsprüfer Horst Weyrauch 1992 aus der Schweiz auf ein Konto bei der Bank Hauck und Aufhäuser eingezahlt, das Geld sei später in den offiziellen Geldkreislauf der Hessen-CDU eingegangen. So weit war alles richtig.

Doch je näher die Befragung des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch gestern im Untersuchungsausschuss in der Katholischen Akademie in Berlin rückte, umso mehr verpuffte die angebliche Neuigkeit. Koch hatte bereits am 20. Dezember 2000 nach dem Wortprotokoll im hessischen Untersuchungsausschuss, das die CDU an Journalisten verteilte, über die Höhe der Summe und den Verbleib des Geldes bei der Bank berichtet. Allerdings war die hessische CDU-Generalsekretärin Otti Geschka nach einem der taz vorliegenden Brief schon am 25. Oktober von Ernst & Young über den neuen Fund informiert worden. Das Konto sei nach „Auswertung der Unterlagen der Staatsanwaltschaft“ bekannt geworden, schrieben damals die für die Hessen-CDU mit der Kontensuche beauftragten Wirtschaftsprüfer. Es dauerte jedoch noch fast zwei Monate, bis die Hessen-CDU in einer Presseerklärung den Vorgang bekannt machte.

Diese zeitliche Verzögerung verteidigte gestern Hessens Ministerpräsident Roland Koch im Bundestagsuntersuchungsausschuss. Der Brief von Ernst & Young vom 25. Oktober sei „an sich nicht sehr viel wert gewesen“. Er habe daher vor einer Veröffentlichung von seiner Generalsekretärin Geschka wissen wollen, wie der Geldfluss bei diesem Konto im Einzelnen gewesen sei.

Koch zeigte sich zufrieden. Bis auf eine Restsumme von 33.000 Mark sei schließlich der Verbleib der 21 Millionen Mark aus der Schweiz zur Hessen-CDU, darunter jenes Konto mit 700.000 Mark, restlos aufgeklärt worden.

Zum Streit zwischen Koch und dem Ausschussvorsitzenden Volker Neumann (SPD) geriet gestern eine anhängige Klage der Hessen-CDU gegen die Herausgabe von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten. Dem Untersuchungsausschuss in Berlin sind bislang nur Teile der hessischen Akten, darunter viele Leerblätter, zur Verfügung gestellt worden. Koch verwahrte sich gegen Unterstellungen, er nehme in seiner Funktion als hessischer Ministerpräsident Einfluss auf die Justiz. Als Landesvorsitzender werde er es aber nicht zulassen, dass seine Partei vom „politischen Gegner geröntgt wird“. Akten, die im Kampf der politischen Parteien untereinander „wettbewerbsrelevant“ seien, gehörten nicht in die Hände des Ausschusses.

In der hessischen Affäre sagten gestern auch führende Manager des Süßwarenherstellers Ferrero in Berlin aus. Das Unternehmen hatte seit Anfang der 80er-Jahre jährlich zwischen 50.000 und 100.000 Mark an die Landes-CDU in bar an den damaligen CDU-Landesschatzmeister Prinz Wittgenstein gespendet. Der frühere Geschäftsführer Arthur Kurrle und sein Nachfolger Ludwig Koll bestätigten, dass sie das Geld ohne Quittungsbelege jeweils beim Kassierer von Ferrero abholten. Es sei dem Unternehmen darum gegangen, dass aus Gründen des Betriebsfriedens niemand von der Spende an die CDU erfuhr. Von einer Veröffentlichungspflicht von Spenden ab 20.000 Mark durch die Parteien wollen Koll und Kurrle nichts gewusst haben. Dass Ferrero jährlich 100.000 Mark ohne Quittungen weitergab, kommentierte der Ausschussvorsitzende Neumann mit der Bemerkung, es sei stets aufs Neue lehrreich, was man über die Praktiken der deutschen Wirtschaft im Verlaufe der Befragungen lerne.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen