: Nazis im Abseits
260 Rechte latschen durch leere Straßen. Antifaschistische Spontandemos verhindern Marsch in die Innenstadt ■ Von Peter Müller und Andreas Speit
Rund 800 AntifaschistInnen haben am Sonnabend eine Demonstration von etwa 260 Neonazis aus dem belebten Bereich der Hamburger City verdrängt. Obwohl die Polizei die Route der Nazis weiträumig abgesperrt hatte, postierten sich die GegendemonstrantInnen an den Barrieren auf der Mönckebergstraße, so dass die Polizei den Marsch der Rechten präventiv umleiten musste. Vor der Innenbehörde durften diese allerdings ihre Propaganda-Reden schwingen.
Ursprünglich wollten der Hamburger Neonazi-Chefideologe Christian Worch und seine „Freien Nationalisten“ durch Jungfernstieg und Mönckebergstraße marschieren, angeblich um gegen die Auflösung eines Neonazi-Konzertes in Rothenburgsort Anfang Februar zu protestieren. Beim „Kooperationsgespräch“ mit der Polizei fand sich Worch aber mit einer „abgespeckten Route“ ab, die parallel zur Mönckebergstraße durch die Steinstraße verlaufen sollte. Im Gegenzug sollten Gegendemos aus dem City-Kern verbannt werden: Eine Kundgebung des antifaschistischen Bündnisses durfte nur an der abgelegenen Domstraße/Ecke Ost-West Straße stattfinden.
Auf der Kundgebung formierte sich plötzlich auf Initiative der Jugendorganisation „Links Ruck“ eine Spontandemo. Während offiziell noch über Lautsprecher zum Verharren aufgefordert wurde, liefen flugs mehrere hundert TeilnehmerInnen über eine unbewachte Fußgängerbrücke in die City – vorbei an den Ketten von insgesamt 4000 PolizistInnen und Wasserwerfern.
Ehe Sondereinheiten auflaufen konnten, waren die Protestler schon auf die Mönckebergstraße gelangt. „Taktisch geschickt gemacht“, so ein Polizeikommentar. Zu spät zum Eingreifen, wollte die Polizei doch nicht die Szenerie schaffen, vor der der DGB-Nord gewarnt hatte – dass nämlich das Shoppen wegen des Neonazitrecks gefährlich wird.
Nun waren die AntifaschistInnen auf 50 Meter Sichtweite an die Route der Nazis herangekommen. Die Polizei reagierte: Per Anweisung wurde den Rechten beim Abmarsch am Messberg klargemacht, dass ihre „abgespeckte Route“ erneut „abgespeckt“ werde. Nun ging es nur über die abgelegenen Niederungen um die Ost-West Straße, wo die Nazis teilweise aus Wohnhäusern mit Wasser und Gemüse beworfen wurden, zur Innenbehörde.
In ihren Reden vor dem Amtssitz von SPD-Innensenator Hartmuth Wrocklage sprachen Worch, Ex-Kopf der verbotenen „Aktionsfront Nationale Sozialisten“, Thomas Wulff, Ex-Chef der verbotenen Nationalen Liste, Friedhelm Busse Ex-Vorsitzender der verbotenen Partei FAP, Thorsten DeVries, Ex-Boss des verbotenen „Kameradschaftsbund“ und der wegen Tötungsdelikten vorbestrafte Peter Borchert. Gehetzt wurde gegen die „Ratten aus Berlin“ (gemeint war die Bundesregierung) und die „Kapital-Bolschewisten“, die in Hamburg bei Aufmärschen mit den „kriminellen Antifaschos“ paktierten. Die Aggressivität der Zuhörer kam mehrfach zum Vorschein: Zwei Nazis attackierten JournalistInnen und wurden von der Polizei festgenommen.
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