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Bei grünen Kühen sieht Schwarz-Blau rot

Rinderwahnsinn erreicht Österreichs Regierung auch ohne BSE: Wer soll für vorbeugende Maßnahmen zahlen, wie baut man die Landwirtschaft ökologisch um, und warum sollen vorher so viele arme, normale Kühe sterben?

WIEN taz ■ Kein einziger Fall von Rinderwahnsinn konnte bisher in Österreich entdeckt werden. Trotzdem entzweit BSE Bund und Länder in der Alpenrepublik und hat zu Verstimmungen zwischen Wien und Brüssel geführt. Die österreichischen Bundesländer wollen sich nicht länger an der Finanzierung der BSE-Maßnahmen beteiligen.

Seit 1. Januar werden Rinder, die im Alter von über 30 Monaten geschlachtet werden, nach der Schlachtung einem Schnelltest unterzogen, der rund 200 Mark kostet. Tiermehl, dessen Verfütterung an Wiederkäuer schon seit zehn Jahren verboten ist, muss jetzt generell entsorgt werden. In einer provisorischen Einigung für zwei Monate übernahm der Bund zwei Drittel der Kosten dafür, die Länder trugen das restliche Drittel.

Bei einer Landeshauptleutekonferenz in Villach (Kärnten) forderten die Landeschefs am vergangenen Wochenende, der Bund solle die gesamten Kosten übernehmen. Die Regierung wurde in einer Resolution aufgefordert, „in Verhandlungen mit der EU eine weitere Mitfinanzierung der Folgekosten der BSE-Krise, die wesentlich durch die EU-Agrarpolitik verursacht wurde, sicherzustellen“. Diese Beteiligung der EU solle notfalls durch „entsprechendes Abstimmungsverhalten der österreichischen Vertreter“ erzwungen werden. Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider schlug vor, die österreichischen Zahlungen an die EU zurückzuhalten, sollte Brüssel seine Verantwortung nicht anerkennen. Schützenhilfe bekamen die Landeshauptleute von Sozial- und Frauenminister Herbert Haupt (FPÖ), der am Sonntag forderte, die EU möge die BSE-Folgekosten zur Gänze übernehmen.

Immerhin haben die österreichischen Fleischer und Rinderzüchter unverschuldet enorme Verluste hinnehmen müssen. Im bisher BSE-freien Österreich ist seit Ausbruch der Krise in Deutschland der Rindfleischkonsum um rund 30 Prozent zurückgegangen. Der Vorschlag von EU-Agrarkommissar Franz Fischler, den Markt durch Massenvernichtungen von älteren Rindern wieder ins Gleichgewicht zu bringen, stieß in Österreich auf einhellige Ablehnung. Bisher wusste allerdings keiner eine andere praktikable Lösung. Denn gegen den Vorschlag, das Rindfleisch in die Dritte Welt zu schicken, wandten die Experten der Entwicklungszusammenarbeit ein, man würde so die lokalen Rinderzüchter ruinieren.

Landwirtschaftsminister Wilhelm Molterer beantragte in Brüssel eine Ausnahmegenehmigung, die Österreich von der Vernichtungsaktion befreien sollte. Fischler signalisierte, dass der Antrag wegen seiner Doppelbödigkeit abblitzen werde. Dass der Tiroler ÖVP-Politiker Fischler inzwischen von seinem Plan der Massenvernichtung abgerückt ist und es den EU-Mitgliedsstaaten freistellt, wie sie ihre Überschüsse entsorgen, hat den Ausbruch von Feindseligkeiten vorerst verhindert.

BSE, Schweinemastskandal und die Krise der industriellen Landwirtschaft bieten ideale Startbedingungen für ein Bündnis für eine bäuerliche, umwelt- und sozialverträgliche Landwirtschaft, dessen Grundstein vergangenen Freitag bei einem Treffen in St. Pölten gelegt wurde. Vetrtreter von zwei Dutzend Organisationen diskutierten unter der Federführung der Österreichischen Bergbauernvereinigung über ein Umdenken in der Landwirtschaftspolitik und im Konsumverhalten. Österreich hat zwar einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Biobauernhöfen, doch die Subventionspolitik der EU und des heimischen Landwirtschaftsministeriums bevorzugt nach wie vor unökologische Großproduzenten. RALF LEONHARD

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