Strippen im Licht

■ Mit „Tiefseefische“ lieferte das Oldenburger Theater Wrede eine Inszenierung, in der mehr möglich gewesen wäre

Anne lebt im Schrank. Sie will sich ihre Einsamkeit nicht wegreden lassen, denn das ist alles, was sie hat. Nico schleppt Schweinehälften. Wenn er nach Hause kommt, liegt da ein Videoband. Von Anne. Sie nimmt sich selbst auf, um mit ihm zu reden. Er antwortet ihr auch, über Video. Die beiden sind „Tiefseefische“, gehören also zu dem Stück, das 1998 bei den Autorentheatertagen in Hannover preisgekrönt wurde. Jetzt wird es in der Regie von Gudrun A. Lelek vom Theater Wrede in Oldenburg inszeniert.

Die Bühne, das sind zwei abfallende, weiße Holzstege. Kleine, zerbrechliche Inseln, auf denen links Anne und Nico, rechts Mike und Britt ihr junges Leben balancieren. Und ihre Beziehungen. Mike ist notorisch abgebrannt, plündert die Haushaltskasse, kauft sich 'ne Fender, denn „das könnte der Anfang von etwas sein“. Rockstar werden. Britt ist sauer, denn sie verdient das Geld. Jetzt geht sie strippen, um auch im Licht zu stehen. Mike wird sauer, sie stiehlt ihm die Schau, statt weiter irgendwo Klos zu putzen. Und dann ist da noch 'ne Theke, da bedient einer die Videos und Musikkassetten des Stückes.

Dieser Strippenzieher (Winfried Wrede) ist auch mal Kneipenwirt, mal Arbeiter im Tiefkühlhaus, mit seinen Impulsen wandeln sich die Szenen auf der Bühne. Und er gibt damit das rasante Tempo vor, in dem Musik, Videos, Schauspiel sich mit Bewegungschoreographien abwechseln oder vermischen. Cut, neues Bild: Da trifft Nico eine rätselhafte Frau, die unterm Trenchcoat nichts weiter trägt als Unterwäsche – erotische Phantasie oder Realität? Jedenfalls sieht diese Frau Anne sehr ähnlich. Und die ist sich selbst als Videobild auf der Bühne wiederum ähnlicher als live. Eine Art aufklärerisches Moment: Ein Fernsehgerät zum Zuschauerraum gedreht zeigt das Mädchen (Aza Thelandersson), das sich selbst live filmt. Und das Fernsehbild scheint eine größere Au-thentizität, eine stärkere Unmittelbarkeit zu haben als die Person zum Anfassen auf der Bühne.

Vergrößerung, perspektivische Verzerrung – so regieren uns die Fernsehbilder. Und da hätte man ganz prima auf den gestelzten Monolog verzichten können, mit dem Anna im Stück über diesen Kasten philosophieren muss, denn so redet einfach niemand im richtigen Leben. Die Videoinstallationen von Jürgen Salzmann machen mehr sichtbar als Sätze wie „wir haben gelernt, an das unerträgliche Glück zu glauben, deswegen sind wir unzufrieden“. Überzeugender ist da der Clinch zwischen Brit und Mike, da fliegen die Fetzen, da putzt sie ihn runter, enttarnt den kleinen Jungen im selbstverliebten Macho, der sich an seiner Gitarre abwichst. Zwischen Marga Koop und David Berlin stimmt einfach die Chemie auf der Bühne, das ist flott. Yves Jury Garate aber bremst als braver Nico oft zu sehr, dadurch fallen dann einige Begegnungsszenen etwas auseinander. Hier und da ein bisschen mehr Zug, Spannungen bewusster im Raum inszenieren – das gäbe der Inszenierung den letzten Schliff, um nachhaltig zu glänzen. Marijke Gerwin

Weitere Aufführungen: 23./24. Februar, 14., 16., 17., März, 20 Uhr, Fabrik Rosenstraße. Karten & Infos: Tel.: 0441/95 72 022