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Kulturförderung in Zeiten von „Jekyll & Hyde“

■ Kultursenator Bernt Schulte (CDU) ruft die Szene dazu auf, mehr Geld zu fordern. Geht nicht, gibt's nicht, sagt darauf CDU-Fraktionschef Jens Eckhoff: Nur für wirklich neue Projekte sei in Bremen künftig noch Geld da

Das Musical „Jekyll & Hyde“ ist für die lautesten SprecherInnen der Bremer Kulturszene und mit ihnen auch für viele politisch interessierte BremerInnen zu einem Symbol geworden: Das einerseits unter einer Haushaltsnotlage leidende Bundesland Bremen schmeißt andererseits das Geld zum Fenster raus. So habe sich „Jekyll & Hyde“ als der Flop entpuppt, den man ja schon immer vorausgesagt hätte. Vor diesem Hintergrund beginnen Anfang März die Haushaltsberatungen für die nächsten beiden Jahre.

CDU-Fraktionschef Jens Eckhoff und andere PolitikerInnen der großen Koalition haben der Kulturszene mehrfach die so genannte Deckelung des Etats in Aussicht gestellt. Das heißt: Museen, Theater und andere Einrichtungen sollen auch in den nächsten Jahren mit 133,8 Millionen Mark aus dem Kulturetat und rund 9,5 Millionen Mark aus dem Wirtschaftsressort gefördert werden. Die Einrichtungen müssen allerdings ihre Kostensteigerungen in Höhe von voraussichtlich 12,5 Millionen Mark im Jahr 2004 selbst erwirtschaften. Im ersten von mehreren geplanten Gesprächen über den von Kultursenator Bernt Schulte (CDU) vorgelegten Kulturentwicklungsplan (KEP) sagten einzelne VertreterInnen von Einrichtungen der Sparte Musik, das nicht schaffen zu können. „Müssen sie aber“, antwortet Jens Eckhoff im taz -Interview.

taz: Einen der ersten Entwürfe des KEP haben Sie mit „bestenfalls Vier oder Fünf“ bewertet. Welche Schulnoten vergeben Sie dem jetzt veröffentlichten Plan?

Jens Eckhoff: Zwei bis Drei. Senator Schulte führt nun die Kulturentwicklungsgespräche mit den Betroffenen, und mit den sinnvollen Ergänzungen aus der Kulturszene kann man auf eine Zwei kommen.

Zwei statt Fünf? Wie kommt's?

In den ersten Entwürfen wurden noch 90 Prozent der Bremer Kultureinrichtungen als national oder sogar international anerkannt und herausragend beschrieben. Der Plan ist jetzt eine deutlich realistischere Darstellung. Doch auf eine Eins wird man solch einen Plan in der derzeitigen Situation nicht bringen. Man muss den Leuten deshalb klar machen, dass das kein Wunschkatalog ist. Ich habe momentan Angst, dass die Gespräche dazu genutzt werden, um zu vermitteln: Fordert mal kräftig, und dann gibt's auch mehr.

Senator Schulte hat gesagt: „Ich möchte Sie alle einladen, mehr zu fordern!“

Ich meine damit alle Beteiligten.

Sie haben in einem taz -Interview in Aussicht gestellt, dass der Kulturetat in den kommenden Jahren auf dem Status quo von 133,8 Millionen Mark gehalten wird. Bleiben Sie bei der Ankündigung?

Das ist unser Ziel.

Auch wenn der Status quo gehalten wird, reißen Tarif- und Sachkostensteigerungen bis 2004 ein Loch von 12,5 Millionen Mark in den Etat. In der Kulturszene werden Stimmen immer lauter, die auch mit dem Status quo nicht zufrieden sind.

Das kann ich mir vorstellen. Es wäre auch verwunderlich, wenn sie uns dafür den roten Teppich ausrollen. Aber die Situation ist in jedem Haushaltsbereich in Bremen so, dass die Tarifsteigerungen aufgefangen werden müssen. Dazu muss eigentlich die Kulturszene viel eher als andere in der Lage sein, weil ich immer davon ausgegangen bin, dass ein wichtiger Mechanismus von Kultur ist, etwas Neues hinzubekommen. Die Kulturszene hat vor einem Jahr noch ganz andere Abrissszena-rien beschrieben. Jetzt sind wir in den politischen Beratungen drei Schritte nach vorne gekommen, und nun muss sie sich auch mit der Realität auseinander setzen. Ich halte es für ausgeschlossen, über die 133,8 Millionen Mark zu gehen.

Ein wichtiges Ziel ist laut KEP, auch etwas Neues zu fördern. Der Etat ist aber fast vollständig durch Verträge und andere Zusagen gebunden. Der KEP sagt auch nichts darüber, wie neue Projekte finanziert werden sollen.

Im KEP stehen schon einige Veränderungsprozesse und Schwerpunkte. Unabhängig vom jeweiligen Kultursenator haben wir in der Vergangenheit immer über pauschale Kürzungen diskutiert. Das hat uns nicht weitergebracht. Wir haben deshalb versucht, mit dem KEP Schwerpunkte zu setzen. Die Anordnung der Kapitel ist nicht zufällig. Wir haben die Museen ganz bewusst nach vorne gestellt, um dort einen Schwerpunkt zu setzen. Die Fragen, die es dort gibt, müssen mit Priorität beantwortet werden. Andererseits gibt es beim Orches-ter oder beim Theater Möglichkeiten, neue Wege zu gehen. Man muss nun mal an die Tarifstrukturen im Theater ran. Ich weiß, dass das unpopulär ist. Aber da gibt es viele Sonderrechte. Und alles, was der Elefant Theater wegfrisst, ist für die Mäuse nicht mehr im Trog.

Trotzdem: Wo bleibt der Spielraum für Neues? Verlagern Sie das Problem nicht auf die nächste Legislaturperiode?

Darin liegt die einzige Einschränkung, die ich bei der Aussage über die Deckelung des Etats machen will. Ich sage: Für neue Projekte muss es auch in dieser Stadt immer wieder Möglichkeiten geben. Für kleinteilige Projekte im Kulturbereich muss es die Wettmittel geben. Früher dienten die immer nur als Haushaltsausgleich. Das haben wir geändert und im kleineren Maßstab auch Neues ermöglicht. Außerdem haben wir den Zuschuss für die Kammerphilharmonie erhöht, deren Ansiedlung ich zu den sinnvollen Projekten zähle und der wir nun ermöglichen wollen, in die Champions-League aufzusteigen. Wenn das Staatsorchester in eine GmbH überführt wird, muss es möglich sein, auch da eine Million Mark für Umstrukturierungen zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus meine ich: Wenn jemand mit einem guten Projekt nach Bremen kommt, muss man Wege finden, das zu finanzieren. Ich glaube, dass der Politik da in manchen Bereichen die Fantasie fehlt. Wir haben auch in den nächsten Jahren Geld für zehn Projekte à 25 Millionen Mark. Bislang habe ich noch nicht einmal einen Vorschlag vorliegen, für den es sich lohnt, das Geld auszugeben. Größere Projekte wie etwa mein Vorschlag zur Aufwertung des Teerhofs (mit einem Bauwerk des so genannten fantastischen Realisten Ernst Fuchs; Anm. d. Red.) wären garantiert nicht zu Lasten des Kulturhaushalts gegangen.

So außergewöhnliche Ideen wie das Musical „Jekyll & Hyde“?

Im Nachhinein betrachtet hätte man manche Entscheidung im Musicalprozess anders treffen müssen. Das Musicalprojekt fing 1992 an und wurde erst 1996 realisiert. Das heißt: Man war zu spät. Wenn ich mir aber das Ranking im Städtetourismus angucke, hat das Musical einen positiven Beitrag geleistet. Man hat von vorneherein einen falschen Eindruck mit der Spieldauer erweckt und gesagt: „Jekyll & Hyde“ läuft ewig. Man hat sich zu spät Gedanken gemacht über eine Nachfolgenutzung.

Der Generalbevollmächtigte des Musicals, René Meyer-Brede, hat im Sommer 2000 noch angekündigt, dass er „Jekyll & Hyde“ noch mindestens drei Jahre spielen wolle.

Es ist doch doll, wie diejenigen, die das Musical managen, den Markt einschätzen.

Sie haben im letzten Sommer laut darüber nachgedacht, dass die Stadt ins Betreiberrisiko gehen müsse, um besser informiert zu sein. Ist das Ihre Lehre?

Bisher ist das die Lehre. Ich habe mich damit noch nicht durchgesetzt. Es muss aber kürzere Informationswege über Fehlentwicklungen geben. Damit plädiere ich jedoch nicht für eine Vulkan-Lösung: Der Staat bestellt das Schiff, baut es und fährt es auch.

Das Nachfolgeprodukt wird die Stadt nicht mehr als 4,4 Millionen Mark kosten?

Es gibt einen bestehenden Vertrag. Die größte Katastrophe für die Stadt wäre, wenn das Gebäude für 4,4 Millionen Mark im Jahr leer steht. Und wenn in einem halben Jahr ein neuer Betreiber kommt, würde der sagen: Ihr zahlt doch sowieso die Millionen, seid doch froh, wenn da überhaupt etwas stattfindet. Deshalb müssen wir froh sein, wenn wir die alten Konditionen halten können. Wenn „Hair“ zehn Monate gut läuft und dann verlängert wird, ist das ein Erfolg. Fragen: ck, zott

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