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Revolutionär Nummer fünf

Generalbundesanwalt Kay Nehm hat jetzt auch gegen den im Frankfurter Opec-Prozess kürzlich freigesprochenen Rudolf Schindler Anklage im Berliner RZ-Prozess erhoben

Der Kronzeuge der Bundesanwaltschaft muss erneut gegen Schindler aussagen

Der Berliner Prozess um die Revolutionären Zellen (RZ) wird auf fünf Beschuldigte erweitert. Generalbundesanwalt Kay Nehm hat jetzt auch gegen den im Frankfurter Opec-Prozess freigesprochenen Rudolf Schindler Anklage erhoben. Ihm wird Rädelsführerschaft in der linksradikalen Vereinigung Revolutionäre Zellen vorgeworfen. Außerdem soll Schindler eine Sprengstoffexplosion an der Zentralen Sozialhilfestelle für Asylbewerber (ZSA) in Berlin im Jahre 1987 herbeigeführt haben. Die Anklage wurde beim Berliner Kammergericht erhoben.

Das Opec-Verfahren, in dem das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, stehe der Strafverfolgung in dieser Sache nicht entgegen, da die Tatvorwüfe nicht identisch seien, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Schindler war am 15. Februar vom Landgericht Frankfurt vom Vorwurf der Beihilfe an dem „Opec-Überfall“ 1975 in Wien freigesprochen worden. Der Kronzeuge Hans-Joachim Klein war dabei wegen dreifachen Mordes zu neun Jahren Haft verurteilt worden.

Der 58-jährige Schindler soll laut Anklageschrift von 1985 bis 1990 der Berliner Zelle der RZ angehört haben. Ziel der Revolutionären Zellen sei „die gewaltsame Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland“ gewesen. Zu diesem Zweck habe die Vereinigung „schwere Straftaten wie Schusswaffen-, Brand- und Sprengstoffanschläge“ begangen. Am 6. Februar 1987 soll Schindler die Sprengstoffexplosion an der Außenmauer eines Gebäudes der Zentralen Sozialhilfestelle für Asylbewerber in Berlin herbeigeführt haben. Er habe die Sprengvorrichtung an der Mauer gemeinsam mit einem Komplizen „installiert und zur Explosion gebracht“, heißt es in der Anklageschrift der Bundesanwaltschaft. Menschen wurden nicht verletzt. Die Explosion sollte die zentrale Gasversorgung treffen, riss aber nur ein Loch in die Mauer.

Desweiteren stehe Schindler im Verdacht, am 28. Oktober 1986 den damaligen Leiter der Berliner Ausländerbehörde, Harald Hollenberg, mit zwei gezielten Pistolenschüsse in die Beine verletzt zu haben. Der Angeklagte soll außerdem am 1. September 1987 den damaligen Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht, Günter Korbmacher, ebenfalls durch gezielte Pistolenschüsse in die Beine verletzt haben. Die Schusswaffenanschläge seien „unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines Körperverletzungsdelikts verjährt“, erklärte Nehm. Sie hätten aber „als mitgliedschaftliche Beteiligung des Angeschuldigten in der ‚RZ‘ Bedeutung“.

Seit ihrer Gründung haben sich die Revolutionären Zellen nach Angaben des Generalbundesanwalts zu mindestens 186 Anschlägen in Deutschland bekannt. Mindestens 40 davon seien in Berlin und Umgebung erfolgt und ließen sich der Berliner Zelle zurechnen.

Erst am 30. November 2000 hatte Nehm ebenfalls beim Berliner Kammergericht Anklage gegen vier weitere mutmaßliche Mitglieder der Revolutionären Zellen erhoben. Dabei handelt es sich um die heute 54-jährige Sabine E. und die jeweils 52 Jahre alten Harald G., Matthias B. und Axel H., die ebenfalls der Berliner Zelle angehört haben sollen.

Sowohl die ersten vier Anklagen als auch die jetzige gegen Schindler gehen ausschließlich auf Aussagen des 41-jährigen Berliner Karatelehrers Tarek Mousli zurück. Bis zu den Kronzeugenaussagen des sich selbst der RZ-Mitgliedschaft bezichtigenden Mousli waren die RZ insbesondere in Berlin für die Ermittler ein Phantom geblieben. Seit 1999 haben die Ermittler nun mit dem Kronzeugen zusammengesessen, um die Geschichte der RZ aufzuarbeiten. Der im Frühjahr bevorstehende Prozess ist eine erste Folge dieser Aussagen. DDP/TAZ

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