Trüpel, Helga, Existenzgründerin

■ Die kultur- und wirtschaftspolitische Sprecherin der Bremer Bündnisgrünen will nicht nur kritisieren. Helga Trüpel hat sich deshalb als Kulturagentin selbständig gemacht und wird eines Tages vielleicht zur McKinsey-Konkurrentin

„Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“, soll Erich Kästner mal gesagt haben. Doch bei außerordentlichen Aktivitäten von PolitikerInnen müsste das Kästner-Wort eigentlich geändert werden: „Es gibt nichts Gutes, außer man lässt es bleiben.“ Denn wer sich wie die Bündnisgrüne Helga Trüpel anders entscheidet, wird schnell zu einem Verdachtsfall. „Kaum bringt sie ihren Vorschlag zur Bewerbung Bremens als europäische Kulturhauptstadt durch die Bürgerschaft, gründet sie eine Agentur, die daran Geld verdienen kann“, lauteten die argwöhnischen Kommentare zu ihren neuen außerparlamentarischen Plänen.

Helga Trüpel hat sich vor wenigen Wochen selbständig gemacht und ein Low-Budget-Büro namens „AgenturArt“ gegründet. Die 1958 geborene kultur- und wirtschaftspolitische Sprecherin ihrer Fraktion ist eine von hundert Abgeordneten in der Bremischen Bürgerschaft, die formal nur als Teilzeit- oder FeierabendpolitikerInnen tätig sind. Zumindest bei der zahlenmäßig kleinen Opposition kann von einem Teilzeitjob kaum die Rede sein. Trotzdem will Trüpel fortan auch als Kulturagentin tätig sein und sich damit ein zweites Standbein schaffen.

Die kritische Frage nach Interessensüberschneidungen beantwortet sie, noch bevor sie gestellt wird. „Sauber trennen“ will sie ihre politische Arbeit von der privaten. Wie andere Bürgerschaftsabgeordnete auch, will sie an Abstimmungen nicht teilnehmen, die ihre Agenturtätigkeit tangieren. Und eins kommt gar nicht in Frage: Aufträge annehmen, die etwas mit dem Projekt Kulturhauptstadt zu tun haben.

Dennoch wird die Agentin und Kulturmanagerin Trüpel von ihren politischen Erfahrungen profitieren. Von 1991 bis 1995 war sie Senatorin für Kultur- und Ausländerintegration sowie nach dem Miss-trauensvotum gegen Ralf Fücks für eine kurze Zeit auch Stadtentwicklungssenatorin der Ampelkoalition. Seit 1995 macht sie im Bereich zwischen Kultur und Wirtschaft Oppositionspolitik gegen die große Koalition.

Noch etwas vage oder sehr weit gefasst sind ihre Pläne für die Agentur. Gutachter- und Berateraufträge von anderen Städten würde sie unter anderem annehmen. Wenn etwa eine niedersächsische Stadt ihre Kulturförderung reformieren will und dafür Hilfe von außen braucht, würde Trüpel für mehrere Wochen anreisen. Ortskenntnisse und die Suche nach dem Besonderen hält sie bei der Kulturplanung für zwingend notwendig und unterscheidet sich damit von den betriebswirtschaftlich argumentierenden Unternehmens- und VerwaltungsberaterInnen à la McKinsey. Neben diesen zurzeit noch fiktiven Großaufträgen will Agentin Trüpel Kulturprogramme für Firmen oder für Messen organisieren. Kürzlich hat sie ihre Agentur bei einem von 150 Gästen besuchten Empfang vorgestellt, bei dem sich neben Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU) und dem ehemaligen Präsidenten der Bremer Handelskammer, Bernd Hockemeyer, auch befreundete Familien mit ihren Kindern tummelten. Diese bunte Mischung im Publikum und die lockere Atmosphäre sind ihr ein Vorbild für ihre geplanten Kulturprogramme.

Nach fast sechs Jahren Opposition will Trüpel nicht mehr bloß die ihrer Ansicht nach falsche Regierungspolitik kritisieren, sondern auch wieder gestalten. Für manche ihre PolitikerkollegInnen ist das ein gefundene Fressen. Kaum eine Bürgerschaftssitzung vergeht, ohne dass jemand auf die Agentur anspielt. Erst am Dienstag forderte die SPD-Wirtschaftspolitikerin Eva-Maria Lemke-Schulte von den Grünen allen Ernstes Alternativ-vorschläge für die künftige Nutzung des Musicaltheaters am Richtweg und sagte unter Gejohle bei SPD und CDU: „Vielleicht kann Frau Trüpels AgenturArt dabei behilflich sein.“ Und ergänzte etwas erschrocken über die Reaktionen: „Das meine ich gar nicht ironisch.“

Helga Trüpel kann solche Spitzen aushalten. Die Gründung ihrer Agentur ist keineswegs der Anfang vom Ende ihrer politischen Tätigkeit. Sie wird deshalb auch mit Bremens Bewerbung zur „Europäischen Kulturhauptstadt“ im Jahr 2010 zu tun haben, die von der Bürgerschaft nach Trüpels Antrag einmütig begrüßt wurde. „Wir haben mit dem Ruhrgebiet und München starke Mitbewerber“, sagt sie. Auch deshalb dürfe sich Bremen bei der Bewerbung nicht auf Kultur im engeren Sinne beschränken, sondern müsse den Strukturwandel und die grenzüberschreitenden Verbindungen mit den Nordniederlanden und Groningen thematisieren. Trüpel steckt da schon mitten in den Vorbereitungen. Am Programm werden andere AgentInnen Geld verdienen – so lange Trüpel auch Politikerin bleibt. ck/F.: M.J.

Kontakt Tel.: 37 94 572 oder bald im Internet unter der Adresse www.agenturart.via.t-online.de .