Deutsche Strafe für Folter in Bosnien

Bundesgerichtshof erlaubt, dass bosnische Serben auch für individuelle Misshandlungen verurteilt werden können

KARLSRUHE taz ■ Bosnische Serben, die sich an der ethnischen Säuberung in Bosnien-Herzegowina beteiligt haben, können in Deutschland jetzt noch härter bestraft werden.

Gestern akzeptierte der Bundesgerichtshof (BGH), dass von deutschen Gerichten nicht nur Völkermord-Taten, sondern auch Folter und Verschleppungen abgeurteilt werden können. Konkret hatte der BGH über die Revision des bosnischen Serben Maksim Sokolović zu entscheiden. Der Mann war 1999 vom Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf zu neun Jahren Haft verurteilt worden. Sieben Jahre zuvor hatte er sich in der Ortschaft Osmaci an einer Vertreibungsaktion gegen die muslimische Bevölkerung beteiligt, dabei 56 gefangene Muslime bewacht und einzelne auch gequält. Der Anwalt des Serben, Rüdiger Deckers, hatte geltend gemacht, dass das OLG seinen Mandanten nur wegen Beihilfe zum Völkermord, nicht aber wegen der einzelnen Delikte hätte verurteilen können. Schon im April 1999 hatte der BGH nämlich entschieden, dass die „ethnischen Säuberungen“ in Bosnien als Völkermord bestraft werden können, weil sie darauf abzielten, die Muslime als soziale Gruppe zu zerstören. Und nach dem so genannten Weltrechtsprinzip sind Völkermordtaten stets auch in Deutschland strafbar – unabhängig davon, in welchem Staat die Tat begangen wurde.

Jetzt kam es ergänzend darauf an, ob auch individuelle Misshandlungen und Freiheitsberaubungen unter das Weltrechtsprinzip fallen. Der BGH hat dies bejaht und verwies auf die vierte Genfer Konvention von 1949, die dem Schutz der Zivilbevölkerung in Kriegszeiten dient. „Dieses völkerrechtliche Abkommen verlangt von der Bundesrepublik, auch Taten wie Folter, unmenschliche Behandlung oder rechtswidrige Verschleppung zu bestrafen“, erklärte gestern der Senatsvorsitzende Klaus Kutzer.

Da die Genfer Konvention aber nicht für innere Unruhen gilt, war in der Verhandlung vor allem umstritten, ob es sich bei den Vertreibungen in Bosnien-Herzegowina überhaupt um einen „internationalen Konflikt“ handelte. Anwalt Deckers hatte geltend gemacht, dass zum Zeitpunkt der schlimmsten Exzesse die jugoslawische Armee bereits abgezogen war. Der BGH hielt nun dagegen, dass die jugoslawische Armee die bosnischen Serben „de facto“ noch unterstützte. Der BGH berief sich dabei auch auf ein entsprechendes Urteil des Jugoslawien-Tribunals in Den Haag vom Juli 1999.

CHRISTIAN RATH