piwik no script img

„Nachdenken macht Spaß!“

■ Wieder einmal gewinnt das linke Alsterufer gegen das rechte beim weltgrößten Schachturnier

Erst war es laut und chaotisch, aber um kurz nach ein Uhr wurde es plötzlich still. Konzentrierte Spannung lag über den Räumen des Hamburger Congress Centrums. 2150 Schülerinnen und Schüler saßen sich an Schachbrettern gegenüber. Meist mit einem Zug des Königs- oder Damenbauern – selten wurden ausgefallenere Eröffnungsvarianten gewählt – starteten die TeilnehmerInnen ins weltgrößte Schachturnier.

Bei der 44. Neuauflage des Traditionswettkampfs „Rechtes gegen Linkes Alsterufer“ trafen gestern schachbegeisterte junge Menschen aus 150 Schulen, darunter 62 Grundschulen, aufeinander. Dieses Turnier ist mehr als nur ein Wettbewerb für hochbegabte Genies. Es ist ein Versuch, Hamburger Jugendlichen die Liebe am königlichen Spiel zu vermitteln und sie langfristig an diesen Sport zu binden. Ein schwieriges Unterfangen, wird den Jugendlichen doch gern unterstellt, dass sich ihre Interessen zwischen Playstation und Pokémon bewegen. Schach, so könnte man vermuten, spielt da nur eine untergeordnete Rolle.

Doch die Begeisterung, die man den TeilnehmerInnen gestern anmerken konnte, zeigt, dass das Turnier keine Pflichtübung für die Schach AGs an Hamburgs Schulen war. Nicht auf Sieg oder Niederlage, sondern auf den Spaß am Spiel kam es an. Dem Modus entsprechend traten jeweils acht SpielerInnen von zwei Schulen gegeneinander an, wobei die SpielpartnerInnen nach Möglichkeit gleichaltrig sein sollten. Aber selbst an den Brettern, an denen das organisatorisch nicht möglich war, konnte der Achtjährige seinen zwei Köpfe größeren Kombattanten besiegen. Die Partien dauerten zwischen fünf und 120 Minuten, und wer danach noch Lust hatte, konnte freundschaftlich weiterspielen, da auch das Rahmenprogramm mit Simultan- und Showkämpfen bestens organisiert und besetzt war.

So spielte der amtierende Hamburger Jugendmeister, Steve Berger simultan an 16 Brettern. Der 19-Jährige kam erst mit elf Jahren und „durch die Schule“ zum Schach. Fünf bis sechs Mal hat er selbst aktiv an diesem Turnier teilgenommen. Für ihn bedeutet Schach „Freizeitbeschäftigung und Entspannung zugleich“. Der Jugendbundesligaspieler Hannes Langrock spielte ebenfalls simultan an 16 Brettern. Und vielleicht steht Jacob Carstensen, der gestern mit nur sechs Jahren jüngste Spieler war, ja auch vor einer großen Karriere. Die besten Vorraussetzungen – „Nachdenken macht Spaß!“ – bringt er bereits mit. Schach hat ihm und seinen Klassenkameraden seine Lehrerin Heidi Hahnefeld beigebracht.

Eine ganz alte Häsin ist Janina-Maria Stejskel. Die 14-Jährige nahm gestern bereits zum zehnten Mal an diesem Turnier teil. Gelernt hat sie zusammen mit ihrem älteren Bruder, denn der „brauchte jemand zum Spielen“. Früher hat er immer gewonnen. Das hat sich aber inzwischen geändert.

Am Ende bekam jeder Einzelsieger und jede Schule eine Urkunde. Ach ja, gewonnen hat auch jemand: Wie fast jedes Jahr triumphierte das linke Alsterufer. Aber vielleicht klappt es für das rechte Alsterufer im nächsten – diese Chance werden die SchülerInnen aus Altona, Blankenese und Lokstedt bei der 45. Auflage auf jeden Fall bekommen.

Tobias Bott

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen