: Drei Jahre Haft für Vegesacker Neonazi
■ Gericht verurteilt Bombenbauer für geplanten Anschlag auf Ausländer / Bewährungsstrafe für den Mittäter
Die Verteidigungsstrategie war klar: Vor dem Jugendschöffengericht in Blumenthal gaben die Angeklagten offen zu, dass sie eine Bombe bauen wollten. Falk L. hatte seinen Freund Marcel Sch. beauftragt, ein Rohr zu verschweißen. Er selbst mischte dann im vergangenen Herbst aus Chemikalien das hochexplosive Acetonperoxyd – nach Anleitung aus dem Internet.
Nur von dem Vorsatz, damit das mehrheitlich von AusländerInnen bewohnte Hochhaus an der Grohner Düne oder ein Asylbewerberheim zu sprengen, wollten die beiden nichts mehr wissen. Sie hätten die Bombe auf dem Land lediglich „ausprobieren“ wollen. Laut Marcel Sch. habe niemand Falk L. das Gerede von einem Anschlag geglaubt. Der räumte lediglich ein, wohl einmal „daran gedacht“ zu haben. Aus ihrer ausländerfeindlichen Einstellung machten die beiden indes keinen Hehl. Nachdem er in der Haft Ausländer kennengelernt habe, sei er aber nur noch „leicht ausländerfeindlich“, behauptete Falk L.
Auch in Briefen aus der Untersuchungshaft erweckte der 21-Jährige einen geläuterten Eindruck. Allerdings hatte er die Rechnung ohne die Ermittler gemacht: Mit einem in den Knast geschmuggelten Handy rief er seinen Freund Lutz H. an und erklärte ihm, „die Leute, denen ich schreibe, wissen bescheid“ und: „ich habe gesagt, dass ich voll ausländerfreundlich bin und die rechte Gesinnung abgelegt habe und bla und blubb, damit alles so wie Mitläuferkram aussieht.“ Lutz H. hatte inzwischen den Computer aus der Wohnung von Falk L. geholt – für Richter Christian Zorn „eine schwere Ermittlungspanne“, dass der nicht beschlagnahmt wurde.
„Lass die Festplatte verschwinden“, bat Falk L. aus dem Gefängnis. Zu spät: Die mithörende Polizei beschlagnahmte das Gerät und fand das „politische Testament“ von Falk L. Darin bekennt er sich zu Hitler und kündigt an, mit Rohrbomben gegen den „Judenstaat“ zu kämpfen. Auch die Details seiner Beerdigung legt er fest, bis hin zur Reichsfahne auf dem Sarg.
Dieses Dokument war für Staatsanwalt Uwe Picard einer der Belege dafür, dass die Rohrbombe – immerhin mit der Sprengkraft einer Handgranate – kein Spielzeug war. Auch der Schlosserlehrling Marcel Sch. müsse das gewusst haben, sonst hätte er sich nicht extra das Rohr gegen Fingerabdrücke lackiert – ausgerechnet braun.
Das Gericht folgte dem weitgehend: Es verhängte die von der Anklage geforderten drei Jahre Jugendvollzug gegen Falk L. als treibende Kraft und blieb nur knapp unter dem Antrag mit eineinhalb Jahren Bewährungsstrafe für den Mittäter Marcel Sch. Der muss sich noch wegen weiterer Delikte verantworten: Mit anderen hat er in einer Moschee und in einem Gemüseladen Scheiben eingeworfen und eine Gruppe Afro-Deutscher verfolgt und rassistisch beleidigt.
Auch für weitere Neonazis aus Bremen-Nord wird das Verfahren Konsequenzen haben: In der „Kameradschaft Bremen-Nord“, in der die beiden Angeklagten auf Einladung von NPD-Landeschef Jörg Wrieden zeitweilig Mitglieder wurden, hatte Falk L. das Bombenrohr herumgereicht und von einem Anschlag gesprochen. Die Anwesenden müssen sich nun wegen Nichtanzeige einer geplanten Straftat verantworten.
Jan Kahlcke
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