: Virus auf Vormarsch
Britanniens Landwirtschaft in der Dauerkrise: Im Mutterland von BSE breitet sich die Maul- und Klauenseuche aus. EU verbietet Fleisch-Exporte
aus Dublin RALF SOTSCHECK
Die Europäische Union hat den Export von Vieh, Fleisch und Milch aus Großbritannien verboten, nachdem auf mindestens fünf Bauernhöfen die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen ist. „Wir stehen am Abgrund“, sagte der Präsident des Bauernverbandes, Ben Gill. „Nach all den Problemen, die wir schon bewältigen mussten, ist das ein unvorstellbar schwerer Schlag.“
Britannien exportiert Vieh und Fleisch im Wert von 600 Millionen Pfund im Jahr. Der erste Fall wurde Mitte der Woche bei einem Schwein in einem Schlachthaus in Essex entdeckt. Das Landwirtschaftsministerium hat Fünf-Meilen-Sperrzonen um die betroffenen Höfe verhängt, in den nächsten Tagen werden 600 weitere untersucht.
Yves Cheneau, der Chef der UN-Organisation für Gesundheit, Lebensmittel und Landwirtschaft, sagte, die Seuche habe pandemische Ausmaße angenommen: „Es gibt verschiedene Viren, der Typ O, der in Essex aufgetreten ist, breitet sich sehr schnell aus.“
Die Maul- und Klauenseuche vom Typ O ist hochgradig ansteckend, sie wird nicht nur durch infiziertes Fleisch oder den Transport der Tiere in kontaminierten Fahrzeugen übertragen, sondern auch durch Menschen, die mit einem befallenen Tier in Kontakt gekommen sind. Die ausgeatmeten Viren können sich durch den Wind bis zu 60 Kilometer weit verbreiten. Die Seuche befällt Paarhufer, die Inkubationszeit beträgt rund zwei Wochen. Dann bilden sich Blasen an der Zunge, im Mund, an den Füßen und am Euter. Die Tiere bekommen Fieber, werden lethargisch und verlieren rapide an Gewicht, fünf Prozent sterben. Zwar kann die Krankheit in seltenen Fällen auch auf Menschen übertragen werden, doch die Symptome sind meist mild und gehen vorüber. Als die Seuche vor mehr als 30 Jahren in Britannien grassierte, kam es allerdings auch zu einem Todesfall.
In Britannien erinnert man sich noch gut an das Jahr 1967. Damals breitete sich die Seuche von einem Bauernhof in Shropshire über das Land aus. Fast 2.500 Höfe waren befallen, 442.000 Tiere wurden getötet. Es kostete 150 Millionen Pfund und dauerte fünf Monate, bis die Seuche unter Kontrolle war.
Richard Young, ein Berater des Landwirtschaftsverbandes, macht die Schließung vieler kleinerer Schlachthäuser für die Ausbreitung der Seuche verantwortlich. „Wir haben rund tausend Schlachthäuser in den letzten 15 oder 20 Jahren verloren“, sagt er. „Es gibt im ganzen Land nur noch 340 Stück.“ Deshalb müssen die Tiere, wenn sie geschlachtet werden sollen, viel weiter transportiert werden als früher. Dadurch kann sich das Virus schneller verbreiten.
Landwirtschaftsminister Nick Brown sagte, man müsse jeden einzelnen Tiertransport zu dem Schlachthaus in Essex und jeden einzelnen Bauernhof unter die Lupe nehmen. „Wenn es einen Verdacht auf Maul- und Klauenseuche gibt, muss der Hof sofort unter Quarantäne gestellt werden.“ Die staatlichen Veterinäre glauben, gestern die Quelle für die Seuche ausgemacht zu haben. Es handelt sich um einen Bauernhof in Heddon-on-the-Wall in Northumberland, der inzwischen abgeriegelt wurde. Auslöser, so vermutet Paul Kitching vom Institut für Tierkrankheiten, könnte das weggeworfene Wurstbrot eines Touristen aus dem Nahen Osten gewesen sein.
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