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Ein Franc Steuer pro Rindersteak

aus Paris DOROTHEA HAHN

Am Donnerstag war Lionel Jospin dran. Wütende Bauern schmissen rohe Eier auf ihren Premierminister, schimpften ihn den „Totengräber der Viehzucht“ und skandierten: „Rücktritt, Rücktritt“. Der Sozialist, dessen Kopf durch einen von einem Mitarbeiter hochgehaltenen Aktenkoffer geschützt wurde, setzte seinen Besuch auf der 38. Landwirtschaftsmesse unbeirrt fort. „Das ist eine kleine Minderheit“, spielte er den Zwischenfall herunter. Der großen Mehrheit der 280.000 französischen Rinderzüchter versprach er „direkte finanzielle Hilfen“ schon ab der nächsten Woche. Wenn nicht aus dem EU-Topf, dann aus dem nationalen Haushalt.

Der „größte Bauernhof der Welt“ – die einwöchige Landwirtschaftsmesse, die jedes Jahr an der Pariser Porte de Versailles mit Kühen, Schafen und Ziegen stattfindet und hunderttausende von BesucherInnen anlockt – ist ein Muss für französische Politiker. Vom Staatspräsidenten, der die Messe traditionell eröffnet, über den Premierminister bis hin zu den Fachministern und der Opposition lassen sich alle dabei filmen.

Dieses Jahr sind die Dinge anders als sonst. Nicht nur wegen der drei anstehenden Wahlen, sondern vor allem wegen BSE. Der Rinderwahn treibt zunehmend Züchter, die ihr Vieh nicht mehr absetzen können, in den Ruin. In Frankreich ist der Rindfleischkonsum in den vergangenen drei Monaten um 35 Prozent gesunken. Das ist relativ wenig im Vergleich zu Deutschland, wo der Verbrauch um das Doppelte zurückging, jedoch viel für ein Land mit der größten Agrarwirtschaft in Westeuropa.

Als die Nahrungsmittelbehörde Afssa in der letzten Woche auch noch vor dem Konsum von bestimmten Schaf- und Ziegenteilen warnte, setzte Panik auf dem Land ein. Luc Guyau, der Chef der größten Bauernorganisation FNSEA klagte, dass der sozialistische Landwirtschaftsminister Jean Glavany sich in Brüssel „feige“ verhalte, „nichts“ für die französischen Bauern tue und zur Abwiegelung mit den „nordeuropäischen Ländern“ argumentiere. „Dabei hat Frankreich doch das Tiermehl auch im Alleingang verboten, versucht Guyau einen nationalen Ausweg zu weisen.“

Die Entschädigungen für die französischen Rinderzüchter könnten teuer werden. Die FNSEA verlangt Hilfen in Höhe von 5 bis 6 Milliarden Francs (rund 1,5 Milliarden Mark). Sollte die EU sich nicht auf eine gemeinschaftliche Finanzierung einigen können, muss Frankreich nach einer nationalen Lösung suchen. Das tat das Land auch zu Jahresanfang, als es die Mehrkosten für die am 1. Januar eingeführten BSE-Tests auf die VerbraucherInnen abwälzte. Der nunmehr systematische Test für Rinder, die älter als 30 Monate sind, kostet pro Vieh zwischen 300 und 400 Francs. Davon trägt die EU nur rund 100 Francs. Der Rest – rund ein Francs (29 Pfenning) pro Steak – geht auf Verbraucherkosten.

Die Rinderkrise zementiert die Lage auf dem Land. Bei den jüngsten Wahlen zu den Landwirtschaftskammern hat entgegen der Erwartungen vieler städtischer Franzosen wieder die konservative FNSEA, die auf intensive Landwirtschaft und Massentierhaltung setzt, gewonnen. Sie bekam 54 Prozent der Stimmen. Die bei den Verbrauchern beliebte „Confédération Paysanne“, die eine Landwirtschaft in kleinerem Rahmen propagiert und mit spektakulären Aktionen gegen die „Mal-Bouffe“ – den „Scheißfraß“ – demonstriert hat, bekam nur 26 Prozent.

Staatspräsident Chirac, der in Paris als „der Beste am Kuhhintern“ gilt, war somit beim Landwirtschaftssalon in freundlich gesonnener Gesellschaft. Er munterte die Bauern auf, zeigte Einsatzbereitschaft zu ihren Gunsten und warnte die Wissenschaftler, „Panik“ zu verbreiten. Die rot-rosa-grüne Regierung hingegen muss sich auf schwere Kämpfe im Lande einstellen.

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