Fischler für Bullen, Künast für Weide

EU-Agrarminister streiten heute über Fischlers Sieben-Punkte-BSE-Plan. Nationale Interessen stehen im Vordergrund. Künast lehnt Obergrenze für Bullenförderung ab, will Produktion und Prämie entkoppeln und den Markt die Preise reinigen lassen

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Wenn sich die EU-Agrarminister heute in Brüssel zusammensetzen, werden sie wohl hauptsächlich demonstrieren, dass die BSE-Krise ihre Kompromissbereitschaft nicht gestärkt hat. In den vergangenen Tagen zeigten die Mitgliedsstaaten wenig Begeisterung über den Sieben-Punkte-Plan zur Bewältigung der BSE-Krise, den Agrarkommissar Fischler am 13. Februar im EU-Parlament vorstellte. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass nur zwei der sieben Vorschläge auf eine qualifizierte Mehrheit im Rat hoffen können.

Wenig Widerstand gibt es gegen Fischlers Absicht, den „Besatzdichtefaktor“ zu senken. Künftig sollen nur noch Sonderprämien für 1,8 Großvieheinheiten (GVE) je Hektar gezahlt werden. Bislang wurden 2 GVE pro Hektar gefördert. Die Maßnahme soll artgerechte Haltung fördern und sich dämpfend auf die Fleischproduktion auswirken. Auch die Neuverteilung der Mutterkuhprämien wird von den meisten Ländern unterstützt. Während bislang die Prämie daran gebunden war, dass mindestens 80 Prozent der Kühe schon Kälber geboren hatten, wird nun vorgeschrieben, dass mindestens 20 Prozent der Kühe noch nicht gekalbt haben dürfen. Auch dadurch soll die Fleischproduktion gedrosselt werden.

Fischlers übrige Vorschläge stoßen auf massiven Widerstand. Die deutsche Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) hat vor allem die geplante Förderobergrenze von 90 Bullen pro Betrieb als „Spitze gegen Deutschland“ kritisiert. Dadurch würden den Großbetrieben in Ostdeutschland im nächsten Jahr 25 Millionen Euro und 31 Millionen Euro 2002 an Prämien entgehen. Auch Fischlers Plan, noch einmal 1,2 Millionen Rinder aufzukaufen und den Mitgliedsstaaten zu überlassen, ob sie das Fleisch auf eigene Kosten einlagern oder vernichten wollen, lehnt Künast ab.

Ihre Vorschläge zielen in eine völlig andere Richtung: Künast will den Spagat versuchen, einerseits die Bauern in Ostdeutschland nicht zu enttäuschen und andererseits die Rindfleischproduktion auf anderem Weg zu drosseln. Für eine Übergangszeit von zwei Jahren sollen Produktion und Prämien entkoppelt werden. Prämien sollen also im gleichen Umfang gezahlt werden, ohne dass der Landwirt nachweisen muss, die Tiere tatsächlich im Stall zu haben. Gleichzeitig soll Brüssel die Interventionskäufe zurückfahren und den Preis für Rindfleisch weiter fallen lassen. Die Preise sollen über den Markt gereinigt werden.

Grüne Handschrift tragen nur zwei der deutschen Vorschläge: Mit einer Grünlandprämie sollen Landwirte ermutigt werden, auf stillgelegten Flächen eigenes Grünfutter anzubauen. Und die Auswirkungen der 1999 gefassten Agrarbeschlüsse, der umstrittenen Agenda 2000, sollen schon ein Jahr früher als geplant, nämlich 2002, bewertet werden.

Auch die übrigen Mitgliedsländer machen ihre Forderungen ausschließlich von der eigenen Interessenlage abhängig. Wo die bäuerlichen Betriebe traditionell klein sind wie in Österreich, gibt es keinen Widerstand gegen die geplante 90-Bullen-Fördergrenze, da dort ohnehin nicht mehr Tiere in einem Stall stehen. Großbritannien, Finnland, Schweden und Dänemark dagegen, die Prämien verlieren würden, wehren sich gegen Fischlers Vorschlag.

Der nationale Egoismus im Agrarbereich ist also durch den BSE-Schock nicht kleiner geworden, und die Chancen, bei einer neuen Verhandlungsrunde die gröbsten Fehlentwicklungen der Agenda 2000 aus der Welt zu schaffen, sind nicht gestiegen.

Unterdessen bezeichnete die Umweltstiftung WWF den Sieben- Punkte-Plan von EU-Agrarkommissar Franz Fischler als „völlig unzureichende Flickschusterei“ und verlangte wie Künast, Prämien nicht pro Tier, sondern für die Weidefläche zu zahlen. Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) verlangte Änderungen am EU-Krisenplan. Landwirtschaftliche Subventionen dürften künftig nicht mehr an die Zahl der gehaltenen Tiere, sondern sollten an die Zahl der Beschäftigten des jeweiligen Betriebs gekoppelt werden, forderte BUND-Chefin Angelika Zahrnt in Berlin. Dem Fischler-Plan fehlten zudem entscheidende Maßstäbe für den ökologischen Umbau der Landwirtschaft und zur artgerechten Tierhaltung.