: Fußball ohne Nebenjobs
Ihr letztes Bundesligaspiel für den FFC Frankfurt hat Doris Fitschen gerade bestritten, nun will sich die deutsche Fußball-Rekordnationalspielerin in der US-amerikanischen Profiliga WUSA beweisen
INTERVIEW: RAINER HENNIES
taz: Frau Fitschen, am Montag geht es los, da findet Ihr Umzug in die USA statt, der Wechsel von Bundesligaspitzenreiter FFC Frankfurt zu Philadelphia Charge in die neue Profiliga WUSA. Wie ist Ihre Gemütslage?
Doris Fitschen: Ich freue mich riesig, weil alles ganz neu sein wird für mich. Das empfinde ich als sehr aufregend und prickelnd. Ob es auch ein Erfolg wird, werden wir sehen. Eine Erfahrung wird es auf jeden Fall.
Die ausländischen Topstars wurden den Mannschaften in so genannten Drafts zugeteilt. War Philadelphia Charge Ihr Wunschziel?
Es war mir vollkommen egal, in welches Team ich komme. Die Erlebnisse werden sicherlich überall ähnlich sein.
Was steht als Erstes auf dem Programm?
Training. Mein Flug geht gar nicht erst an die Ostküste, sonden ich werde von der Mannschaft bereits in Kalifornien im Trainingslager erwartet. Wir werden bis zum Ligastart in Chula Vista, das liegt zwischen Los Angeles und San Diego, trainieren. Ende März findet dort auch ein Saisoneröffnungsturnier statt. Und am 14. Mai wird endlich die Liga angestoßen. Unser erstes Spiel ist bei San Diego Spirit. Danach geht es über ein Auswärtsspiel bei den Atlanta Beat zum ersten Heimspiel nach Philadelphia. Unsere Gegner werden die Bay Area Cyber Rays aus San Francisco sein.
Wissen Sie schon etwas über den Alltag in Philadelphia? Wo und wie werden Sie wohnen?
Keine Ahnung. Ich bin da recht gelassen und habe Vertrauen, dass für alles gesorgt ist. So wurde es uns jedenfalls versprochen.
Wie haben Sie Ihre nächste Zukunft organisiert?
Ich werde erst einmal meine Wohnung in Frankfurt behalten, denn der Vertrag mit der WUSA geht über eine Spielsaison, also bis in den Spätherbst. Danach wird man sehen, wie es weitergeht: Ob ich bleibe oder ob ich etwas anderes mache. Jetzt nehme ich erst einmal nur einen großen Koffer mit. Darin sind einige Fußballschuhe, mein Laptop, ein paar Klamotten und alles, was man im Trainingslager so braucht. Den Rest werde ich mir dort kaufen.
Was hat Sie zum Wechsel in die USA bewogen? Fünfstellige Monatseinkünfte sind wohl nicht zu verachten.
Also das Geld war es wirklich nicht. Ich verdiene auch beim FFC Frankfurt ganz gut und bin beruflich bestens qualifiziert, sodass ich mir überhaupt keine Sorgen diesbezüglich machen muss. Das Sportliche hat den Ausschlag gegeben. Ich finde es toll, gegen Ende meiner Karriere noch als Profi Fußball spielen zu können. Fußball, ohne dafür in Nebenjobs arbeiten zu müssen – das ist doch klasse.
Die WUSA zahlt ein Festgehalt, der Verein legt etwas dazu. Ein dritter Teil ist frei und wird durch Werbeeinkünfte bestritten. Wie sieht das bei Ihnen aus?
Mein Vertrag mit adidas Deutschland bleibt bestehen, weil ich hier ja noch Nationalspielerin bin. Hinzu kommt adidas USA – in welcher Form, ist noch unklar. Ebenso, ob sich drüben weitere Partnerschaften ergeben. Ich gehe davon aus, dass ich im ersten Jahr noch kein großes Geld verdienen werde. Wenn die Leistung stimmt und ich weiter drüben bliebe, bin ich aber sicher, das da sehr viel Geld zu verdienen ist.
Wie ist Ihre neue Mannschaft?
Gemeinsam mit Liu Ailing aus China, die über 160 Länderspiele hat, werde ich wohl eine zentrale Figur sein, wo und wie ist noch nicht besprochen. Nominell haben wir drei Verteidiger, der Rest ist eher offensiv ausgerichtet. Wir sind ein ziemlich buntes Völkchen. Neben China und Deutschland sind noch Mexiko und England mit Nationalspielerinnen vertreten, aus dem US-Weltmeisterteam sind Lorrie Fair und Sakia Webber dabei. Ob wir ein Spitzenteam sind oder eher schwach, kann ich nicht einschätzen, das werden wir aber bald sehen.
Und Mark Krikorian, Ihr neuer Trainer?
Der soll sehr gut sein. Das hat mir jedenfalls Co-Trainerin Pia Sundhage, die über 140 Länderspiele für Schweden gemacht hat, erzählt. Gegen sie habe ich früher selbst noch gespielt, die ist auch sonst gut drauf. Ich erinnere mich noch an das EM-Finalbankett von 1989, als sie plötzlich ihre Gitarre holte und Rock ’n’ Roll spielte. Ich glaube, wir werden viel Spaß haben.
Was können Sie zu diesem Spaß beitragen?
Ich kenne viele deutsche Fußballlieder. Die Amis werden sich wundern, was es alles gibt.
Gibt es bei aller positiver Sicht der Dinge nicht auch ein weinendes Auge?
Kaum. Ich bin mir allerdings bewusst, das ich jetzt so einen Art Abgang auf Raten eingeläutet habe. Der Wechsel nach Philadelphia bedeutet das Ende meiner Karriere hier in Deutschland. Ich habe immerhin zehn Jahre für die Teams in Wolfsburg, Siegen und Frankfurt in der Bundesliga gespielt, das ist eine lange Zeit. In einer ruhigen Stunde wird mir das in den USA bestimmt noch bewusster als jetzt in dieser hektischen und stressigen Schlusszeit, in der sich alles am Flug nach drüben ausrichtet und jeder irgendetwas von mir will.
Zum Beispiel?
Ich habe allein drei Fernsehsendern Absagen erteilt. Die wollten Porträts drehen, wo ich durch Frankfurt schlendere und so. Das hätten die alles früher machen können, aber da wollte keiner etwas vom Frauenfußball wissen. Jetzt überschlagen sich alle, als ob ich in meinen letzten Tagen hier nicht genug zu tun hätte.
Was wird aus der Nationalmannschaftskarriere? Früher hat der DFB ja immer alles abgeblockt: Wer ins Ausland wollte, hat damit sein Aus im Nationalteam besiegelt, was ganz bewusst auch als Druckmittel benutzt wurde.
Mittlerweile ist das anders. Den USA-Angeboten konnte sich niemand mehr verschließen. Ich habe die Absicht, im Sommer noch die EM zu spielen und dann, nach 15 Jahren für den DFB, international zurückzutreten. Auch die Planungen mit DFB-Cheftrainerin Tina Theune-Meyer laufen in diese Richtung. Ich werde zwar nächste Woche bei den beiden Tests gegen Vizeweltmeister China in Augsburg und Ulm fehlen, aber Ende April zum Test gegen Russland eingeflogen und die letzten der drei EM-Lehrgänge mitmachen können. Da haben DFB und WUSA einen akzeptablen Kompromiss gefunden.
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