: Schicksal im Zehn-Jahres-Plan
Senator legt Umweltziele für Hamburg vor: Nach dem Zuschütten kommt Mühlenberger Loch wieder unter Naturschutz ■ Von Gernot Knödler
Zuerst die gute Nachricht: Die Umweltbehörde spielt mit dem Gedanken, das Mühlenberger Loch unter Naturschutz zu stellen. Die schlechte kennen Sie bereits: Ein großer Teil des Lochs wird gerade zugeschüttet. Den GAL-Senator Alexander Porschke und seine MitarbeiterInnen konnte das aber nicht davon abhalten, die Elbbucht in ihr Programm für das kommende Jahrzehnt aufzunehmen, das der Senator gestern vorstellte.
Im „Kursbuch Umwelt“ steht, was der Senat nach Ansicht der Behörde tun muss, damit auch künftige Generationen von HamburgerInnen Luft zum Leben haben: Mehr Schutzgebiete schaffen, den Flächenverbrauch senken, den Ausstoß von Klimagasen verringern, Radwege vernetzen. „Wir wollen die Hamburgerinnen und Hamburger dafür gewinnen, diese klaren und konkreten Ziele zu unterstützen“, erklärte Porschke. „Denn dann hat ökologische Zukunftsfähigkeit die Chance, im Widerstreit der Interessen zu einem ernst genommenen Kriterium des Handelns zu werden.“
Nach dreijähriger Vorarbeit legt die Behörde also einen systematischen Leitfaden für ihre eigene Politik vor. Aus einem Wunschzustand in der Zukunft leitet sie jeweils konkrete mittel- und langfris-tige Ziele ab, deren Erreichen gemessen werden kann. Narrensicher.
Beispiel Klimaschutz: Die Konzentration von Treibhaus-Gasen in der Atmosphäre soll auf einem Niveau stabilisiert werden, das eine gefährliche Störung des Klimasystems durch den Menschen verhindert. Langfristig will die Behörde daher den Kohlendioxid-Ausstoß um 80 Prozent verringern. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Energie-Erzeugung soll auf 50 Prozent steigen.
Mittelfristig, bis 2010, soll sich der Anteil erneuerbarer Energien gegenüber 1998 verdoppelt haben. Der Verbrauch von Heizenergie soll von 22 auf 18 Liter pro Quadratmeter Wohnfläche im Jahr sinken. Jedes Jahr sollen 15.000 Quadratmeter Solarkollektoren neu aufgestellt werden. Um die energiesparende Kraft-Wärme-Kopplung zu fördern, sollen 450.000 von 840.000 Wohnungen mit Fernwärme beheizt werden. Bereits bis 2005 müssen die CO2-Emissionen gegenüber 1990 um 25 Prozent sinken, das hat schon die alte Bundesregierung auf der Umweltkonferenz von Rio versprochen.
Der tatsächliche CO2-Ausstoß eines jeden Jahres lässt sich berechnen. Ob die Politik erfolgreich war oder nicht, liegt dann auf der Hand. Im Falle eines Scheiterns müsste allenfalls der Umweltsenator zurücktreten, denn der Senat – obschon als ganzer für nachhaltige Entwicklung zuständig – hat mit dem Kursbuch nichts zu tun. Die Ziele des Programms würden jeweils in die konkreten Pläne des Senats einfließen, versprach Porschke.
Nicht nur im Klimaschutz hat sich der Senator bis 2010 einiges vorgenommen: Damit die Stadt nicht so schnell an ihre Grenzen stößt, will er den Flächenverbrauch von 140 auf 66 Hektar neu bebautes Gebiet im Jahr halbieren. Damit würde das im Flächennutzungsplan vorgegebene Volumen erst im Jahr 2050 ausgeschöpft, statt bereits 2023. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen jährlich 30 Hektar ungenutzter Altlasten-Flächen recycelt werden. In den vergangenen Jahren schwankte die Zahl zwischen sieben und 67 Hektar.
Der Anteil der Naturschutzgebiete an der Landesfläche soll von sechs auf acht Prozent steigen, derjenige der Landschaftsschutzgebiete von 22 auf 35 Prozent. 20 statt sechs Prozent der Äcker und Wiesen sollen ökologisch und 40 statt 30 Prozent der Wälder naturnah bewirtschaftet werden. Alle Bäche, Flüsse und Seen sollen die Gewässer-Güteklasse zwei statt drei oder vier erreichen. Unterm Stichwort „kommunale Lebensqualität“ wünschen sich die AutorInnen, dass kein Bewohner eines Mehrfamilienhausses länger als 15 Minuten zum nächsten Park gehen muss.
Niemand soll an seinem Wohnort mehr als 65 Dezibel Verkehrslärm aushalten müssen. Das Krebsrisiko durch Benzol, Dieselruß und Arsen in der Luft soll weiter sinken. Ozon erzeugende Stoffe in der Luft werden um 70 bis 80 Prozent vermindert. Und schließlich, als Krönung des Wunschzettels, sollen „AKWs in der Umgebung Hamburgs“ abgeschaltet werden.
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