: Pünktliche Enthüllungen
CDU-Fraktionschef Landowsky soll die umstrittene Spende an die Partei selbst angeregt haben. Die Fraktion unterhält seit Jahren neben der offiziellen Bankverbindung ein zweites Konto mit einem Guthaben in Höhe von rund 100.000 Mark
von RALPH BOLLMANN
Die Enthüllungen kamen pünktlich zur Parlamentsdebatte. Kaum hatte PDS-Fraktionschef Harald Wolf als erster Redner das Wort ergriffen, da sprudelten aus dem Radio schon jene Neuigkeiten, die am Abend über die Fernsehschirme flimmern würden: CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky soll die umstrittene Parteispende der Immobilienfirma Aubis selbst angeregt haben, meldete das ARD-Magazin „Kontraste“ unter Berufung auf einen „unmittelbaren Zeugen“.
Außerdem lag der Redaktion jenes bankinterne Gutachten vor, dessen Existenz bislang nur gerüchteweise bekannt war. Ein „hochrangiger Kreditprüfer“ der Bankgesellschaft warnt dort vor dem Millionenkredit, den die von Landowsky geleitete Konzerntochter Berlin Hyp an die Aubis-Spender vergab. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gruppe seien nicht „ausreichend geprüft“, offenbar verspüre man „der Aubis-Gruppe gegenüber eine gewisse moralische Verpflichtung“, heißt es dort.
Für Landowsky hatte der Tag bereits schlecht angefangen. Am Morgen war bekannt geworden, dass seine Fraktion neben der offiziellen Bankverbindung über ein zweites Konto verfügt – „eine schwarze Kasse“, wie der grüne Fraktionschef Wolfgang Wieland sagte. Seit 1991 lagern dort 100.000 Mark – fünf Jahre zuvor, als erstmals über das Konto berichtet wurde, waren es erst 15.000 Mark gewesen. „Spenden von Abgeordneten“, erklärte der Fraktionssprecher im Parlamentsfoyer den Journalisten.
Warum er das sagt – das verrät ein Blick ins Fraktionsgesetz, das Wieland eigens mitgebracht hatte: Nur über Zuwendungen ihrer eigenen Abgeordneten muss die Fraktion keine Rechenschaft ablegen, alle andere Einnahmen über 1.000 Mark sind „zu verzeichnen“. Wieland vermutet, dass es sich in Wahrheit um jene Barspenden aus der Antes-Affäre handelt, die Diepgen in den Achtzigern von dem Bauunternehmer Kurt Franke entgegennahm. Die CDU bestreitet das. Wie auch immer: Die Zinsen aus den 100.000 Mark hätte die Fraktion offiziell als „sonstige Einnahmen“ verbuchen müssen. Ob das geschehen ist, war gestern nicht zu klären.
Schon vor vier Wochen hatte das Landesparlament über Landowskys Verquickung von Bank und Politik debattiert. Damals war die Parteispende noch gar nicht bekannt. Wirklich nicht? Hat der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen nicht mittlerweile zugegeben, dass er schon Ende Januar von der Spende gewusst hat?
Es war ausgerechnet der frühere CDU-Abgeordnete Ekkehart Wruck, mittlerweile fraktionslos und aller politischen Rücksichten ledig, der den Finger am tiefsten in die Wunde legte. „Zumindest zwei Personen wussten am 1. Februar genau, dass in der Angelegenheit eine Parteispende erfolgt ist“, hielt er Diepgen und Landowsky vor. Dennoch hätten sie geschwiegen, so der bibelfeste Wruck: „Wer Arges tut, scheut das Licht.“
Weder Diepgen noch Landowsky meldeten sich in der Debatte zu Wort. Mit einer Ausnahme. Als der Grüne Wieland die Landowsky-Affäre mit dem Antes-Skandal verglich, platzte es aus dem CDU-Fraktionschef heraus: „Sie sind eine Dreckschleuder!“ Die Stille, die durch den Zwischenruf entstand, verlieh der Szene eine tragische Größe. Sie erinnerte an Monterones Fluch in Verdis „Rigoletto“.
In der Oper sind am Schluss alle tot, weil sie die Realität verdrängen. Genau dies tat die CDU. Von einer Affäre wollten die beiden stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Uwe Lehmann-Brauns und Frank Steffel gar nichts wissen. Nachfolgekandidat Steffel lehnte sich für Landowsky weit aus dem Fenster: „Ich persönlich habe überhaupt keine Zweifel an der uneingeschränkten persönlichen Integrität von Klaus Landowsky.“ Lehmann-Brauns, der immer zu Landowskys Gegnern zählte, pries den Fraktionschef als „Garanten für die bürgerlichen Werte einer Gesellschaft“.
Einen „Tunnelblick“ attestierte SPD-Fraktionschef Klaus Wowereit der CDU. Sie müsse endlich „Konsequenzen ziehen“, sonst stehe das Land Berlin als „Bananenrepublik“ da – eine lupenreine Oppositionsrede. Was Wowereit damit sagen wollte, hatte sein PDS-Kollege Wolf kurz zuvor so formuliert: „Das Schicksal der großen Koalition hängt allein von der CDU ab.“
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