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Des Teufels Ziehharmonika

100 Jahre Fingerarbeit: Stefan Schwieterts Film „El Acordéon del Diablo“ geht der sagenumwobenen Geschichte des kolumbianischen Musikers Pacho Rada nach

Der Legende nach kam das Akkordeon durch ein Schiffsunglück nach Kolumbien. Es wurde an Land gespült mit der Ladung eines deutschen Frachters, der vor der kolumbianischen Küste auf Grund gelaufen war. So erklärt sich, warum das Instrument dort heute die Volksmusik namens Vallenato regiert.

Eine andere Legende erzählt vom virtuosen Akkordeonisten Francisco El Hombre, der eines Tages auf seinem Esel unterwegs war, als er in der Ferne die Töne eines anderen Akkordeons vernahm. Immer näher kam dieser Klang, dessen Urheber plötzlich Francisco gegenüberstand: ein mysteriöser Fremder, der den verdutzten Musiker zum Akkordeon-Duell aufforderte. Doch so schnell und meisterhaft, wie der Rivale aufspielte, konnte es wohl kaum mit rechten Dingen zugehen, ahnte Francisco El Hombre. Und begriff, dass er es mit des Teufels Ziehharmonikakunst zu tun hatte. So griff er zu einer List: Er spielte auf seinem Instrument die Melodie des Vaterunser rückwärts und schlug so seinen Kontrahenten in die Flucht. Der hinterließ nur einen schwefeligen Pesthauch, die Geschichte des Francisco El Hombre aber wurde Alltagsgespräch in Kolumbien und ging sogar in die Literatur ein: Gabriel García Marquéz nahm sie in seinen Roman „100 Jahre Einsamkeit“ auf.

Das Problem an Legenden ist, dass sie sich nur schlecht verfilmen lassen, schon gar nicht dokumentarisch. Der Schweizer Regisseur Stefan Schwietert hat es trotzdem versucht, aber gerade für die fantastischen Erzählungen nur recht biedere Bilder gefunden: Da liegt etwa ein Akkordeon am Strand, und die Off-Stimme erzählt den Sinn.

In Kolumbien hat Schwietert dem Musiker Pacho Rada nachgespürt, auf den die Geschichte des Francisco El Hombre zurückgehen soll, der aber heute eine ärmliche Existenz am Rande der Kleinstadt Santa Marta fristet. In seinem Film begegnet man einem spindeldürren Männchen mit faltigem, stoischem Gesicht, das aber trotz allem guter Dinge geblieben ist, weil es, als Frucht des Musikerruhms, auf eine Schar von angeblich über 400 Enkel und Großenkel herabsehen kann und immer noch jeder Party-Menge einzuheizen weiß. Rau und ungeschliffen ist diese Tanzmusik, zu der man auf Dorffesten tanzt und der in den letzten zwanzig Jahren der Aufstieg von der Volkmusik einfacher Leute zum Pop für die Masse gelang. An Pacho Roda ist dieser Boom allerdings vorbeigegangen – während andere mit seinen Liedern Kasse machen, will ihm sein Heimatdorf zwar ein Denkmal bauen, und mancher zu Reichtum gekommene Star des Vallenato schaut auch heute noch gerne beim geistigen Urvater vorbei. Tantiemen erhält der 94-jährige Autor vieler Gassenhauer aber keine, sodass er auf Zuwendungen angewiesen bleibt. Auch wenn Musikfilme über vergessene alte Männer nicht erst seit Wim Wenders’ „Buena Vista Social Club“ Konjunktur haben und Stefan Schwietert seit „A Tickle in the Heart“ über die Epstein Brothers, seiner filmischen Hommage an die Klezmer-Veteranen, Erfahrungen damit hat: Die Lebensgeschichte des Pacho Roda eignet sich in ihrer realen Kargheit kaum zur nachträglichen Verklärung in nostalgischem Licht.

DANIEL BAX

„El Acordéon del Diablo“. Regie: Stefan Schwietert. Deutschland 2000, 84 Min.

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