Im Interview: Horst Emmel: „Flüchtlingsfrei gekauft“
■ Altonaer SPD-Fraktionschef wehrt sich gegen Vorwurf des Einknickens in Rissen
taz hamburg: Vor einer Woche noch hat die SPD für die Flüchtlinge in Rissen geworben. Warum sind Sie jetzt eingeknickt?
Horst Emmel: Wir sind nicht eingeknickt. Wir hielten die Villa am Sandmoorweg für geeignet, hatten die Sache aber noch nicht entschieden. Als dann der Vorschlag mit dem Hospiz kam, haben wir dem Vorrang gegeben. Das hat zu tun mit der Immobilie, der Lage, dem Park. Aber klar ist auch, dass es einen neuen Standort für eine Flüchtlingsunterkunft in Rissen geben muss.
Fürs Erste haben sich die Anwohner am Sandmoorweg mit ihren Vorurteilen durchgesetzt.
Die sehen das sicher so. Ein Einknicken wäre es aber erst gewesen, wenn wir gesagt hätten: Rissen bleibt flüchtlingsfrei.
Warum wurde nicht versucht, die Anwohner zu überzeugen?
Das haben wir versucht. Aber dann haben wir halt Konzepte gegeneinander abgewogen.
Da werden zwei sinnvolle Projekte gegeneinander ausgespielt.
Natürlich ist es zynisch: Mit den Spenden fürs Hospiz kaufen sich jetzt manche ihre Umgebung flüchtlingsfrei. Aber wir werden kurzfristig auch eine Flüchtlingsunterkunft in Rissen schaffen.
Aber das Gebäude muss ausreichend hässlich sein?
Nein, wir haben in Altona durchaus Unterkünfte in herrschaftlichen Häusern.
An anderen Standorten hat sich die Politik trotz Protesten durchgesetzt – und heute gibt es keine Probleme. Warum ist dieser Lernprozess den Rissenern nicht zuzumuten?
Den wollen wir ihnen ja zumuten. Aber die Frage ist, ob die Villa am Sandmoorweg das richtige Objekt ist, an dem man diese Debatte beginnt. Die Anwohner dort allerdings, das stimmt leider, die können ihre Vorbehalte jetzt weiter pflegen – wie vielerorts: Es gibt ja immer erst Proteste.
Der normale Deutsche will nicht neben Flüchtlingen wohnen?
Ja, und das ist ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft. Die Politik muss deutlich machen, dass Menschen nichtdeutscher Herkunft auch was Gutes sind. Das ist aber auch Aufgabe der Bundesregierung. Das Problem existiert ja nicht nur in Hamburg.
Interview: Heike Dierbach
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