: Lässige Deformation
Das Designbüro Formgeber-Berlin sucht die Nähe zum Material und zu den Produkten.Das Ergebnis ist eine nicht alltägliche Signifikanz der klaren und dennoch spannenden Formen
Dass seine Kollegen an der Universität ihn einst „Förmchenmacher“ nannten, nimmt man Fabian Hofmann sofort ab. Seine sprunghafte und lebendige Art im Gespräch erweckt die Vorstellung, er feile in einem fieberhaften Prozess mit unzähligen Skizzen und Modellen leidenschaftlich an dem jeweiligen Produkt, bis alle Ideen in den spannenden, dennoch klaren Formen konzentriert sind, die für das Label „Formgeber-Berlin“ stehen.
Hofmann zeichnet für den entwurflichen Part des Designbüros und Herstellers verantwortlich. Gemeinsam mit Rob Houst, der das Marketing besorgt, und André Eid, der für Vertrieb und Teile der Produktion zuständig ist, hat er vor zwei Jahren die kleine Firma gegründet. Die lockere Stimmung, mit der die drei ihre früheren Berufe Architekt, Journalist und Aufnahmeleiter beim Film hinter sich ließen und ihre eigenen Herren wurden, hat sich nicht nur in der Zusammenarbeit bewährt, sondern schlägt sich in ihren dynamischen Kollektionen nieder.
Die Produktserie CO3 entstand aus dem Firmenlogo, das mit seinen um einen großen angeordneten drei kleinen Kreisen an ein Molekül erinnert. Im Urlaub, erzählt Hofmann, habe er aus der zweidimensionalen Zeichnung verschiedene dreidimensionale Figuren generiert, die schließlich in der CO3-Fruchtschale mündeten. Sie wird aus hochwertigem Acrylglas gefertigt und ist in sieben Farben lieferbar. Das Besondere ist der tiefere halbkugelförmige Boden des mittleren Kreises, durch den die Schale bei jeder Be- und Entladung der äußeren Gefäße pendelt.
In der Folge variierte Hofmann diese Form, was er „Shift“ – „Verschiebung“ – nennt. Damit meint er die Verwendung verschiedener Materialien für eine Form oder unterschiedliche Funktionen mit einer Form zu bedienen. Aus der Grundform von CO3 entwickelte er zwei Leuchtkörper, eine Hänge- und eine Stehleuchte, sowie „Little Dipper“ und „Big Dipper“, zwei Schalen verschiedener Größe, die aus Porzellan bestehen; diese stoßempfindlichenVersionen stehen stabil auf Füßen und sind in glamourösen Ausführungen mit Gold- oder Platinbeschichtung erhältlich.
Auf die Derivate in Porzellan ist Formgeber-Berlin besonders stolz. Hier gelang es ihnen, einen Hersteller von einer Form zu überzeugen, die als nicht für das Material geeignet galt. „Ganz oft hörten wir ,Geht nicht‘ oder ,Machen wir nicht‘“, erzählt Hofmann, „doch es reizte uns, die traditionelle Produktion für neue Formen zu öffnen.“ Da sie mit Kenntnissen über die Prozesse des Schrumpfens und des Brennens von Porzellan Erfolg versprechende Vorschläge unterbreiten konnten, wagte ein Hersteller das Experiment und fand die geeignete Form und Verarbeitung, die Schalen seriell zu produzieren. „Es ist spannend, die Eigenschaften eines Materials bis an seine formale Grenze zu schieben“, so Hofmann.
Ein iterativer Prozess wie die Porzellanherstellung ist auch das Arbeiten mit Kunststoffen. Bei der ersten Produktfamilie, den drei Leuchten „Eva“, „Adam“ und „Evona“, arbeitete Hofmann mit Kunststofffolien, die er – ähnlich der japanischen Tradition – in verschiedene Formen faltete. Durch das Knicken und Biegen entsteht aus dem ehedem flachen Material ein Volumen und der jeweilige Beleuchtungskörper erhält eine Steifigkeit, die durch Stecken oder Kleben nicht erreicht werden kann; durch Aushärtung erstarrt die Folie in der gewünschten Form.
„Mich interessiert die Deformation“, sagt Hofmann und benennt damit einen Grund, warum er sich von der Architektur abwendete. In seinen Augen hat die Überzahl der Architekten einen äußerst unskulpturalen Zugang zu ihrer Profession. „Warum kann eine Tür nichts anderes als eine normierte Öffnung von 2 m x 1 m Größe sein?“
Im Bereich des Industriedesigns treten freieren Formen ungleich geringere Widerstände entgegen. Vorbild für die Deformation ist etwa der dänische Designer Verner Panton, für modulare Serien der französische Maler Victor Vaserely. Das Produkt „Tost“, ein System aus Kerzenständern und Schalen mit vier Modellen, erinnert denn auch an die unendlichen Reliefs der sechziger Jahre. Im Februar stellte Formgeber-Berlin auf der Ambiente in Frankfurt a. M. den Hocker Tost vor, der – wie die Porzellanelemente – durch seine hochgezogenen Ecken eine markante Form erhält.
Ähnlich unverkennbar stammt die ebenfalls neu entwickelten Buda Schale von den modularen Buda Tischen ab. Die schon dort faszinierende Kompatibilität, inspiriert von den Fliesen eines Budapester Badehauses, setzt sich in kompakten Körpern fort. Bei den Buda-Schalen handelt es sich um Tiefziehformen, das heißt, eine heiße Folie wird mit hohem Druck auf eine positive Form gepresst und durch die Erzeugung eines Vakuums angesaugt; innerhalb von Sekunden-bruchteilen nimmt die Folie die Form an und kann dann weiter bearbeitet werden.
Dass diese eleganten Objekte nicht am Computer generiert sind, sondern mit Skizzen und Knetgummi erarbeitet wurden und auch dass die Prototypen meist von Hofmann eigenhändig gefertigt werden, erscheint anachronistisch. Doch die unmittelbare Nähe zu den Produkten ist ein Teil des Erfolgs. Der andere, offensichtliche Teil ist die formale, nicht alltägliche Signifikanz, die bei den Objekten von Formgeber-Berlin jedoch immer lässig daherkommt. mikas
Formgeber-Berlin, Goltzstraße 13b, 10781 Berlin. Öffnungszeiten: Mo bis Fr 10.00 bis 18.30, Sa 12.00 bis 16.00
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