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„Ein klares Signal an die Wirtschaft“

Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) sieht Hinweise für eine geänderte US-Position in der Klimapolitik. Umweltminister der G-8-Staaten einigten sich auf neuen Versuch, dem Kioto-Protokoll im Juli zum Durchbruch zu verhelfen

Interview NICK REIMER

taz: Herr Trittin, im Juli soll die offiziell als unterbrochen geltende Weltklimakonferenz in Bonn fortgesetzt werden. Macht das Sinn angesichts der starren Position der USA zur Reduktion von Treibhausgasen?

Jürgen Trittin: Im Mittelpunkt des Umweltministertreffens der G-8-Staaten stand die Frage, wie sich die Position der neuen US-Administration entwickelt. Alle Teilnehmer, also auch Kanada, die USA und Russland, haben sich gestern klar dazu bekannt, eine Einigung erzielen zu wollen. Es besteht zudem Konsens, dass die ökologische Integrität des Kioto-Protokolls zur Reduktion der Treibhausgase nicht angetastet werden darf. Das sieht die neue US-Administration genauso.

Die Leiterin der US-Umweltbehörde, Christine Whitman, hat erklärt, die USA wollten ihre „bisherige Umweltstrategie überdenken“. Wie wird das Ergebnis dieses Denkprozesses aussehen?

Es gibt bislang unterschiedliche Signale. Interessant erscheint mir aber, dass Frau Withman bei den Vorschriften zur Schadstoffemission der USA künftig nicht nur Schwefel, sondern auch Kohlendioxid mit einem Grenzwert belegen will. Würden die Kohlendioxidemissionen der US-Kraftwerke begrenzt, wäre das eine der klassischen nationalen Maßnahmen, die wir von den USA bislang auf den Konferenzen immer gefordert haben. Es ist also auch möglich, dass sich die US-Klimapolitik in eine gute Richtung entwickelt.

Was ist in Triest konkret herausgekommen?

Die Zusage zum Willen einer Einigung in Bonn, die auf der Grundlage der 6. Vertragsstaaten-Konferenz basiert. Zweitens haben wir uns darauf verständigt, bei der nächsten Welthandelsrunde zu thematisieren, ökologisch schädliche Subventionen abzuschaffen. Und schließlich sollte die Vergabe von Exportkrediten – in Deutschland sind das die Hermeskredite – künftig Leitlinien unterworfen werden, die einen Wettlauf zu Lasten der Umwelt vermeiden. Mit dieser Verabredung haben die Umweltminister der G-8-Staaten ein klares Signal für mehr Nachhaltigkeit in der Weltwirtschaft gesetzt.

Der italienische Umweltminister sah sich am Samstag veranlasst, zu erklären, man werde bei der Frage der Reduzierung der Treibhausgase keinen Rückzieher machen. Hat sich etwas an der Klimaposition der Europäer geändert?

In Triest wurde nicht verhandelt. Die USA haben noch Prüfungsbedarf in der Sache angemeldet. Für diese Überprüfung haben sie aber einen sehr knappen Zeitplan zugesagt. Das ist, will man in Bonn erfolgreich sein, auch nötig.

Ein DIW-Gutachten warf der Deutschen Industrie gerade Versagen beim Klimaschutz vor. Sie habe entgegen ihrer Sebstverpflichtung im vergangenen Jahr nicht weniger, sondern mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre ausgestoßen. Reicht die Selbstverpflichtung nicht mehr?

Die Deutsche Industrie hat ihre Verpflichtung bislang eingehalten, die Energiewirtschaft nicht. Die Bundesrepublik ist mit einer realen CO2-Reduktion von bisher 15 Prozent neben Großbritannien das einzige Land, das aus eigener Kraft sein Klimaschutzziel erreichen kann. Der geringe Anstieg von 0,2 Prozent ist auf die verstärkte Verfeuerung von Braunkohle und die ausbleibende Stilllegung alter Kraftwerke zurückzuführen. Deshalb müssen wir jetzt die Kraft-Wärme-Kopplung, mit der bis zum Jahr 2010 insgesamt 23 Millionen Tonnen Kohlendioxid eingespart werden sollen, schnell ausbauen. Nur so können wir unser ambitioniertes Klimaschutzziel erreichen.

Die Industrie sperrt sich bislang erfolgreich dagegen.

Ich bin mir sicher, dass wir in den nächsten Wochen mit der Industrie einen Kompromiss dafür finden werden.

Wie wollen Sie das denn durchsetzen?

Mit dem Vorschlag, den die Industrie unterbreitet hat, werden wir unser Ziel nicht schaffen – wie alle Gutachten belegen. Ergo muss sie nachbessern. Eine von der Industrie angestrebte Selbstverpflichtung kann nur funktionieren, wenn diese einem klaren Monitoring unterliegt und Sanktionen für den Fall akzeptiert, dass das selbst gesteckte Reduktionsziel unerreicht bleibt.

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