piwik no script img

„Das Ministerium war informiert“

Die Polizeipräsidentin von Eberswalde, Uta Leichsenring, über die Suche nach der 12-jährigen Ulrike und die Berichterstattung darüber, über ihren abgebrochenen Kurzurlaub in Spanien und das Verhältnis zu ihrem Chef, CDU-Innenminister Schönbohm

Interview: PLUTONIA PLARRE

taz: Frau Leichsenring, Sie kommen gerade von einem Sucheinsatz der Polizei nach der 12-jährigen Ulrike zurück. Das Kind ist seit dem 22. Februar verschwunden. Gibt es neue Erkenntnisse?

Uta Leichsenring: Leider nein. Wir haben sehr, sehr viele Hinweise bundesweit und aus der Region. Sie werden alle ausgewertet. Ebenso die Wärmebilder. Die Tornados sollen heute noch einmal fliegen, um von einem bestimmten Gebiet weitere Bilder zu erstellen.

Ist der Einsatz der Tornados wirklich nötig? Das ganze sieht doch eher nach Aktionismus des brandenburgischen Innenministers Jörg Schönbohm (CDU) aus, der früher Bundeswehrgeneral war.

Es ist ein sehr großer Aufwand. Aber die Tornados erleichtern die Suche in einem sehr großen, teilweise unwegsamen Waldgebiet ungemein. Die Aufnahmen zeigen Bodenverwerfungen. Die Gebiete kann man danach mit Spezialhunden viel gezielter absuchen.

Geht die Polizei immer noch davon aus, dass Ulrike noch lebt? Der Polizeipsychologe Adolf Gallwitz sagt, die Wahrscheinlichkeit sei nicht mehr groß. Die durchschnittliche Überlebenschance liege bei 24 bis 48 Stunden.

Die Chancen werden natürlich immer geringer. Aber es gibt noch Hoffnung. Solange es keinen Beweis dafür gibt, dass das Kind nicht mehr lebt, ist der Aufwand in jedem Fall gerechtfertigt.

Der Fall Ulrike ist zum Mediengroßereignis geworden. Selbst die „Tagesschau“ und das „Heute Journal“ berichten. Wie wirkt sich das auf die Arbeit der Polizei aus?

Wir mussten einen großen, personalintensiven Stabsbereich Öffentlichkeitsarbeit aufbauen. Von dem werden die Medien intensiv betreut. Die ständige Präsenz der Medien ist machmal ein bisschen schwierig und für den einzelnen Kollegen bestimmt auch etwas nervig.

In der Bundesrepublik werden mehr als 900 Kinder vermisst. Es gibt mehrere Dutzend Kinderleichen, die keinem Täter zugeordnet werden können. Darüber berichtet niemand. Wo sehen Sie den Unterschied?

Die Suchmaßnahmen nach Ulrike sind sichtbar, die Bilder im Fernsehen deshalb gut transportierbar. Möglicherweise hängt es auch mit der Art des Verschwindens von Ulrike zusammen und dass es sehr viele Hinweise gibt. Das große Medieninteresse führt natürlich auch dazu, dass unter den Hinweisen zum Teil auch ausgesprochen ungewöhnliche Anrufe sind. Bis zu Hellsehern und Wünschelrutensuchern ist alles dabei. Aber ohne die Medien würden viele Hinweise nicht kommen. Dafür bedanken wir uns bei den Bürgern und Medien ausdrücklich.

Sie selbst sind auch zum Medienereignis geworden, weil sie während der Fahndung nach Ulrike in einen Kurzurlaub gefahren sind. Die B.Z. hatte getitelt: „Skandal – 600 Polizisten suchen Ulrike – Polizeipräsidentin sonnt sich in Spanien“. Vergangenen Mittwoch sind Sie von ihrem Dienstherrn Schönbohm aus dem Urlaub zurückbeordert worden. Wie fühlt man sich bei so etwas?

Bevor ich am Samstag vorletzter Woche in den Urlaub gefahren bin – geplant waren fünf Tage –, habe ich mit meinem Stellvertreter alles geregelt, was von polizeilicher Seite aus erforderlich war. Das Ministerium war von meiner Kurzreise informiert. Es gab keinerlei Einwände. Bei der Fahndung wäre nichts anders gelaufen, wenn ich da gewesen wäre. Ich war auch jeden Tag mit meinem Vertreter in Kontakt. Als sich abgezeichnet hat, dass sich der Einsatz ausweitet, habe ich bereits erwogen, eher zurückzukommen. Mein Vertreter wusste dies. Am Mittwochabend wurde mein Vertreter per Fax vom Innenministerium angewiesen, mir die Order zum Zurückkommen zu erteilen.

Es ist kein Geheimnis, dass das Verhältnis zwischen Innenminister Schönbohm, dessen Staatssekretär Eike Lancelle und Ihnen, die Sie für Ihr Eintreten für Zivilcourage mit der Theodor-Heuss-Medaille ausgezeichnet worden sind, nicht das Beste ist. Man hat den Eindruck, dass Sie gezielt gemobbt werden, um Sie nach der Strukturreform der Polizeipräsidien leichter loswerden zu können.

Nicht nur ich habe den Eindruck, dass es so sein könnte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen