: Fleißkärtchen gegen Rechts
■ Die Privatschule St. Johannis will die erste „Schule ohne Rassismus“ in Bremen sein – den Lehrern gefällt's, die Schüler erhoffen sich Freiraum in der politischen Arbeit
Selbstverpflichtungen sind „in“. Und sie stoßen selten auf Widerstand. Auch die SchülerInnen der privaten St. Johannis Schule wissen das und machen jetzt „genauso Politik wie das sonst so üblich ist“. Seit einigen Wochen sammeln sie in allen Klassen Unterschriften, damit ihre Schule sich bald Schule ohne Rassismus nennen darf.
Dazu brauchen sie 70 Prozent Unterstützung aller Beteiligten, also auch der LehrerInnen und anderer Angestellter der Schule. Noch sind nicht alle Listen zurückgekommen, doch der Pädagoge Hubert Lenter, der die neue Arbeitsgemeinschaft betreut, rechnet damit, dass die Zustimmung in fast allen Klassen deutlich über 70 Prozent liegen wird. Auch die Lehrer-Innen haben sich einstimmig für das Projekt ausgesprochen. Nur eine 9. Klasse bereitet noch Sorgen. Dort haben sich nur 56 Prozent verpflichtet, Rassismus und Diskriminierung in der Schule zu bekämpfen. Aus Angst, selbst Ziel neonazis-tischer Aktionen zu werden.
An Ideen mangelt es den Schüler-Innen nicht. Sie sammeln bereits alle Nachrichten zum Thema Rechtsradikalismus in Bremen, wollen durch die Stadt ziehen, um rechstradikale Aufkleber und Schmierereien zu überkleben, und stehen in Kontakt mit Flüchtlingen. Für die gute Presse machen sie auch gerne öffentlichkeitswirksame Aktionen wie Mahnwachen und Pflege des Denkmals der Reichsprogromnacht.
Die etwa 10 SchülerInnen, die sich in der Aktionsgruppe engagieren, sind nämlich schon alte Hasen in der SchülerInnenvertretung. Sie alle wissen von Zensur ihrer Schülerzeitung oder Einschüchterungsversuchen durch Lehrer vor den Konferenzen zu berichten. Und sie wissen, mit welchen Mitteln sie die Schulleitung um den Finger wi-ckeln können. „Soziales Schulprofil“, heißt das Zauberwort, das auch der Schulleitung gefällt. „Wenn die ihre Plakette kriegen, sollen sie doch glücklich sein,“ kommentierte eine Schülerin trocken die Situation, „hauptsache wir bekommen unsere Stunden und können unser Ding durchziehen.“
An der St. Johannis-Schule gibt es angeblich keine Probleme mit Rechtsradikalismus und Gewalt. Doch die SchülerInnen haben anderes beobachtet: „Wir haben jetzt zwei Glatzen!“ Das fällt auch Schulleiterin Susanne Zahn nach Anfrage wieder ein. Aber alles, was man da machen könne, sei die betreffenden Schüler zu beobachten. Anders sieht die Situation anscheinend für Pia und Nathalie aus der 10. Klasse aus. Sie sind nicht nur in der Antirassismus-AG aktiv, sondern treten auch als Schülervertreterinnen immer wieder in Erscheinung. Da bleiben Konfrontationen nicht aus, und einige Lehrer suchen offensichtlich nur nach Fehlern.
Obwohl Schule ohne Rassismus eigentlich als Projekt „von unten“ angelegt ist, sind die SchülerInnen auf eine gute Zusammenarbeit mit den LehrerInnen angewiesen. Schließlich sind sie gefordert, das Thema Rassismus auch in ihrem Unterricht anzusprechen und können entscheiden, wieviel Zeit sie von ihrem regulären Unterricht abgeben wollen. „Es ist natürlich schwierig, die Lehrer dabei zu kontrollieren, doch auch für sie soll die Unterschrift nur ein erster Schritt sein, der zu weiteren verpflichtet“, sagt der Zehntklässler Paul Karzel. Ein möglicher nächster Schritt wäre der Aktionstag, den das Konzept vorsieht. In diesem Schuljahr wird der allerdings nicht mehr stattfinden, so Susanne Zahn, dazu seien einfach schon zu viele Projekte geplant. Die Entscheidung liegt bei der Schulkonferenz, in der sich nur neun SchülerInnen – eventuell zusammen mit neun Elternvertretern – gegen das gesamte Lehrerkollegium durchsetzten müssen. VvO
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen