Grüne: Schotter für Schiene

Delegierte fordern beim heutigen Bundesparteitag eine weitgehende Bahnreform. Entwurf für Grundsatzprogramm verlangt eine radikale Steuerreform und betont das soziale Gewissen

BERLIN taz ■ Die Grünen verlangen eine „zweite Bahnreform“: Künftig solle mehr in die Fläche investiert, der Regionalverkehr gestärkt und das Bahnfahren verbilligt werden. Das sind die Grundzüge eines Antrags des Bundesvorstands, der heute auf der Bundesdelegiertenkonferenz in Stuttgart beschlossen werden soll.

Umfangreichster Tagesordnungspunkt wird aber die Generaldebatte über die Entwürfe zum Grundsatzprogramm sein. Anders als frühere Programme wird es angesichts der grünen Regierungsbeteiligung und des gestiegenen politischen Gewichts ihrer Parteichefs deutlich mehr Aufmerksamkeit bekommen. In dem Entwurf zur Wirtschaftspolitik aus der Feder von Parteichef Fritz Kuhn wird eine radikale Steuerreform verlangt, die „den Beitrag jedes Einzelnen an der individuellen Leistungsfähigkeit“ bemisst. Deutlich ist das Bemühen Kuhns, das soziale Gewissen der Grünen zu betonen. Man wolle „die Sozialversicherungen in Richtung einer allgemeinen Grundsicherung ausbauen“ und die Lebensbedingungen der Familien verbessern.

In dem Antragsentwurf zur Bahn verlangt der Grüne Bundesvorstand die Halbierung des Mehrwertsteuersatzes und die Ausdehnung der Autobahngebühr für Lkws: Die Maut solle sich „in einem zweiten Schritt“ ab 2003 „aufs gesamte Straßennetz“ erstrecken. Außerdem wollen die Grünen die bislang getrennten Linien von InterRegio und RegionalExpress zusammenlegen. Die Bahn plant die Stilllegung einiger unrentabler InterRegio-Linien. Durch ein Zusammenlegen und öffentliches Ausschreiben auch für Konkurrenten der Bahn AG, so die Hoffnung der Grünen, könnte die Strecken zu geringeren Kosten und mit besseren Takten aufrechterhalten werden.

Weiter fordert der grüne Bundesvorstand, den Besitz am Bahnnetz aus dem Bahnkonzern herauszulösen, um Wettbewerbern den Zugang zum Schienennetz zu erleichtern. Als Gastredner auf dem Parteitag wird heute Verkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) auftreten. Während sein Amtsvorgänger strikt gegen die Herauslösung des Schienennetzes aus der Bahn AG war, hat sich Bodewig noch nicht festgelegt. In Bahnkreisen wird erwartet, das Bodewig die Gelegenheit nutzt, sich heute in dieser Frage in Richtung der Grünen zu bewegen. MATTHIAS URBACH

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