Romeo und Julia in Kung Fu

■ Die Bremer Shakespeare Company möchte wieder dazulernen. Deshalb veranstaltet sie jetzt ein zweites großes Festival. Diesmal kommen die Companies aus Asien

Bremen im Oktober 2001. Die letzte Frittenbude der Hansestadt macht zu und wird durch eine Sushibar ersetzt. Es ist die dreiundneunzigste. Alle EinwohnerInnen der Stadt ernähren sich nur noch asiatisch. Das Deng-Institut ist drei Wochen nach Gründung das erfolgreichste der Welt, weil ganz Bremen Chinesisch lernt. Jede freie Ecke in der Innenstadt ist rund um die Uhr mit schattenboxenden Menschen bevölkert. Endlich ringt sich auch der Ostasienrat zur Aufnahme Bremens als außerasiatische Exklave durch.

Knopfäugige Leserin, hoch gewachsener Leser: Ganz so weit ist es noch nicht. Aber so weit könnte es kommen, wenn es mit den Ausstellungen und Festivals aus Anlass des 100-jährigen Bestehens des Ostasiatischen Vereins Bremen so weitergeht. Nach dem Übersee-Museum, der Kunsthalle und dem Gerhard-Marcks-Haus gesellt sich ab morgen auch die Bremer Shakespeare Company zu den JubilarInnen und serviert ein gleich auf mehrere Monate verteiltes und inklusive aller Sachspenden rund 800.000 Mark kostendes Festival namens „Shakespeare aus Asien“.

Der britische Regisseur, Autor und Asienreisende John Russell Brown hat das Kollektiv vom Theater am Leibnizplatz zu dieser zweiten Auflage des Shakespearianer-Treffens „Shakespeare & Companies“ inspiriert. In seinem Buch „New Sites for Shakespeare“ berichtet er über seine Erfahrungen mit Shakespeare-Inszenierungen und den Publikumsreaktionen in Asien. Renate Heitmann und Peter Lüchinger, die SprecherInnen der Shakespeare Company, fassen den Inhalt so zusammen: Das asiatische Theater wirkt viel ritualisierter, aber das Publikum weiß zugleich auch, dass es eine aktive Rolle spielt.

Während das dramatische Sprechtheater zwischen Indien und Japan unbekannt ist oder erst seit weit wenigen Jahren erprobt wird, mischen sich dort die anderen Bühnenkünste viel stärker als im Westen. Salopp gesagt: EuropäerInnen halten beim Anblick asiatischen Theaters alles, was mit psychologischer Rollenauslegung zu tun hat, für laienhaft, und asiatische Theaterprofis mokieren sich über die fehlenden technischen Fähigkeiten ihrer westlichen KollegInnen. Da kann man also nur voneinander lernen. Zumal in mehreren asiatischen Ländern immer häufiger Shakespeare-Geschichten inszeniert werden. Das ist dann allerdings selten der ganze Hamlet oder der ganze Macbeth, sondern meistens nur ein Motiv daraus. „Dreistündige Inszenierungen“, weiß Peter Lüchinger, „kann man da nicht machen. Die sind nach anderthalb Stunden damit durch.“

Schon seit dem ersten Festival „Shakespeare & Companies“ anno 1993 arbeitet die Bremer Shakespeare Company mit der indischen Annette Leday/Keli Company zusammen und hat zuletzt den „Sturm“ zusammen mit ihr inszeniert (Wiederaufführung am 28.4., 19.30 Uhr im Pier 2). Zum Festival trägt sie ein Tanz-Nachspiel namens „The stuff of dreams“ bei (11., 13. und 14.4., 19.30 Uhr, Theater am Leibnizplatz; Matinee unter dem Titel „Aperitif“ 8.4., 11 Uhr). Die koreanische Mokwha Company zeigt in deutscher Erstaufführung ihre stark von Kampfkünsten, den Martial Arts, geprägte Fassung der Liebestragödie „Romeo und Julia“ (26., 27. und 29.4., 19.30 Uhr). Wiederum aus Indien kommt Habib Tanvir, der von sich selbst behauptet, das professionelle Theater Indiens begründet zu haben. Er präsentiert ebenfalls in deutscher Erstaufführung den „Sommernachtstraum“ (9., 11. und 12. Mai, 19.30 Uhr). Das vierte und zugleich Festival-eröffnende Gastspiel liefern Tian Mansha und das Szechuan Opera Institute in Bremen ab und katapultieren damit die Zahl der Gäste auf über hundert: Wiederum in deutscher Erstaufführung zeigen die AkteurInnen unter dem Titel „Lady MacBeth“ mit den masken- und farbenprächtigen Mitteln chinesischem „Musiktheaters“ Motive des Dramas „Macbeth“ (14., 16., 17.3.; 19.30 Uhr).

Alle Inszenierungen sind im Vergleich zu westlichem Theater viel stärker visuell verständlich. Trotzdem werden die Veranstaltungen mit Zwischentiteleinblendungen übersetzt. Und wer nach all dem noch Lust auf theoretische Unterfütterung hat: Vom 26. bis zum 29. April tagt die ehrwürdige Deutsche Shakespeare Gesellschaft öffentlich in Bremen. Dabei wird Festival-Mentor John Russell Brown von seinen Asienreisen berichten.

ck

Vor-Eröffnung „Shakespeare aus Asien“ am Mittwoch, 14. März, 11 Uhr mit einer Kampfkunstpräsentation im Übersee-Museum. Eröffnung am 14. März um 19 Uhr im Theater am Leibnizplatz mit „Lady Macbeth“.