: Von Techno und Türmen
Der Tresor feiert seinen zehnten Geburtstag. Doch die Festung des Underground Techno wankt.Denn wieder einmal droht dem Club die Schließung. Dreitägige Jubiläumsfeier mit Star-DJs
von DANIEL FERSCH
Als im März 1991 Gründer Dimitri Hegemann und seine Mitstreiter zum ersten Mal die ehemaligen Tresorkammern des Kaufhauses Wertheim öffneten, war dies eine Initialzündung für die Technostadt Berlin. Seitdem sind die Begriffe „Techno“, „Berlin“ und „Tresor“ untrennbar miteinander verbunden.
In den unterirdischen Betonhöhlen zwischen Stahlgittern und Schließfächern fanden die Clubmacher ein Ambiente vor, das wie geschaffen war für die neue, aufregende Musik. So düster und „underground“ wie die Kellerräume an der Leipziger Straße war auch der Sound der Stunde: minimal, rau und hart. Neben Berliner DJs wirkten vor allem die Bookings von DJs und Produzenten aus der amerikanischen Autostadt Detroit, wie Underground Resistance oder Juan Atkins, stilbildend. Sie machtenden Club zu einem international bekannten Markenzeichen.
Dessen sind sich auch die Macher bewusst: Wo Tresor draufsteht, hat auch Tresor drin zu sein. Deswegen hat sich in zehn Jahren am Grundkonzept nichts geändert. „Sturheit als Konzept“, formulierte Hegemann einmal, warum der Keller wie ein Monolith in der Brandung an- und abschwellender Trends steht. Zehn Jahre eine eindeutige Linie zu fahren, so Hauke Schlichting, Specher des Tresors, bedeute ja nicht, dass der Club stehen bleibe. Man habe immer neue Entwicklungen präsentiert. Und überhaupt: „Techno ist genauso out wie Rock oder Pop, aber immer noch spannend.“
Als Geschäftsleute erkannten Hegemann und Co. auch die Vermarktbarkeit des Ladens und bauten das Unternehmen kräftig aus. Zur Interfisch GmbH, die den Club betreibt, gruppiert sich inzwischen auch ein Plattenlabel, das den Sound des Tresors auf Vinyl und CDs unter die Leute bringt.
Dass der Tresor eine feste Institution in der Stadt werden konnte, ist gar nicht selbstverständlich. Denn die ehemalige Schatzkammer befindet sich auf einem attraktiven Grundstück in Sichtweite des Potsdamer Platzes. Mehrmals hat der Bund als Eigentümer schon versucht, das Filetstück zu verkaufen.
Die Investorensuche brachte ständige Planungsunsicherheit für die Clubmacher mit sich. „Zurzeit haben wir einen Mietvertrag mit dreimonatiger Kündigungsfrist“, so Schlichting. Kein Wunder, dass Schließungsgerüchte in regelmäßigen Abständen die Runde machten. Als Mitte der Neunziger der Münchner Investor Kottmaier den Tresor in seine Pläne für ein Entertainmentzentrum mit einbezog, war dies ein willkommener Anlass für hochfliegende Pläne. Ein „Tresor-Tower“ sollte nach den Vorstellungen von Kottmaier und Hegemann entstehen, mit Räumen für Plattenfirmen, Büros und Verlagen. „Auf dem Tower möchte ich am liebsten ein Trojanisches Pferd haben“, fantasierte Hegemann damals gegenüber der taz. „Mindestens 25 Meter hoch und aus Bronze gegossen.“ Doch wie die antike Kriegslist entpuppte sich der Deal als Mogelpackung: Seit dem Absprung des Investors liegen die Pläne wieder auf Eis. Seit über einem Jahr, als das Grundstück erneut ausgeschrieben wurde, habe man keine Nachricht mehr erhalten, so Schlichting. Man wisse also nicht, ob es neue Interessenten gibt.
Trotz unsicherer Zukunft wird zum zehnjährigen Jubiläum erst einmal kräftig gefeiert. Von morgen bis Samstag geben sich Star-DJs und alte Bekannte die Klinke in die Hand. Vielleicht eine der letzten Gelegenheiten, einen Eindruck vom „True Spirit“ der „Trutzburg des Techno“ zu bekommen. Denn ob der Tresor auch in anderen Räumlickeiten funktioniert, ist mehr als fraglich. Selten gehen Musik und Umgebung eine solche Symbiose ein wie in der Leipziger Straße. Eine Verpflanzung des Tresor-Feelings scheint also zum Scheitern verurteilt.
Besser wäre es dann wohl, einen Schlussstrich zu ziehen und die Festung zu schließen. Um den Clubdinosaurier in einer Form weiterleben zu lassen, die ihm gerecht wird: als Mythos einer legendären, längst vergangenen Epoche.
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