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Keine Ausbildung in Demokratie

Der Streit um das Betriebsverfassungsgesetz offenbart eine Lücke in der betrieblichen Demokratie: Von Mitbestimmung können Jugendliche in außerbetrieblicher Ausbildung nur träumen. Und obwohl alle das ändern wollen, passiert nichts

von BEATE WILLMS

„Ihr spinnt doch, Leute“, liest man, wenn man die bunten Kärtchen mit dem Logo des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) richtig zusammenlegt. Die Protestbriefaktion, die DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer gestern in Berlin vorstellte, richtet sich gegen die Unternehmerverbände, die seit Wochen gegen die geplante Reform des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) anrennen. Die DGB-Jugend, die in den nächsten Tagen mit einer eigenen Postkartenserie nachlegen will, sieht jedoch auch in der Bundesregierung und den Abgeordneten potenzielle Adressaten in der weiteren Debatte. In dem Gesetzentwurf, der am 5. April in die erste Lesung gehen soll, fehlt ihrer Meinung nach ein entscheidender Punkt: Für die mehr als 200.000 Jugendlichen, die sich in außerbetrieblicher Ausbildung befinden, sieht er keine Mitbestimmung vor. Nach den Plänen der Bundesregierung dürfen sie auch künftig keine Jugend- und Auszubildendenvertretungen (JAV) wählen.

Dabei haben sie ohnehin eine schwierige Position. Die mit Programmen wie „Jump“ oder dem Sofortprogramm Lehrstellen Ost staatlich geförderte Ausbildung in reinen Ausbildungsbetrieben oder Förderwerken soll lediglich die Lücke im Angebot an betrieblichen Lehrstellen schließen. Eine spätere Übernahme scheidet von vornherein aus, es gibt keine einheitlichen Regelungen bei Leistungen wie Berufskleidung, Werkzeug oder Fahrten, deren Kosten sonst der ausbildende Betrieb übernehmen muss. „Und wenn es niemanden gibt, der die Einhaltung der Inhalte kontrolliert, bekommen die Jugendlichen dort auch die schlechtere Ausbildung“, sagt Carsten Burckhardt, Bundesjugendsekretär bei der IG BAU.

Eine besondere Rolle spielen außerbetriebliche Einrichtungen im Baugewerbe. Während ansonsten bundesweit jeder fünfte und im Osten jeder dritte Auszubildende auf die Maßnahmen angewiesen ist, müssen auf dem Bau sogar zwei von drei Jugendlichen damit vorlieb nehmen. Damit sie überhaupt Erfahrung bekommen, werden sie von den Bildungsträgern an Baustellen und Betriebe ausgeliehen, wo sie dann als Praktikanten gelten.

Für den Arbeitgeber ist das meist umsonst, Ausbildungsvergütung gibt es unterschiedlich viel, je nach Arbeitsamt. Burckhardt weiß von „390-, 410- und 415-Mark-Verträgen“. Von diesem Geld müssen auch die Fahrten zu den Baustellen sowie Kosten für Ausrüstung und Arbeitsschutzkleidung bestritten werden. Zum Vergleich: Nach Tarif bekommt beispielsweise ein angehender Maurer in betrieblicher Ausbildung im ersten Lehrjahr im Osten 1.240 Mark, im Westen 300 Mark mehr. „Wenn Auszubildende mit so unterschiedlichen Rahmenbedingungen auf Baustellen zusammentreffen, knallt es schon mal“, so Burckhardt. Dass dadurch rechte Tendenzen befördert werden, hält er zwar für „zu platt“, bestätigt aber, dass „Rechtsradikalismus ein großes Thema vieler JAVs“ sei.

In diese Richtung argumentieren auch die Grünen. Die Einbeziehung von Jugendlichen in außerbetrieblichen Einrichtungen „könnte eine sinnvolle Maßnahme zur Integration sein“, sagte Franktionschefin Kerstin Müller kürzlich. Schützenhilfe bekam sie vom CDU-Bundesvorstand, der in einem eigenen Vorschlag zur Reform des BetrVG ebenfalls „Jugendausbildungsvertretungen in außerbetrieblichen Ausbildungsstätten“ fordert. Bei der SPD sieht man allerdings ein rechtliches Problem: Da der Ausbildungsbetrieb kein typischer Arbeitgeber sei, sei die Betriebsverfassung der falsche Bereich, um die Mitbestimmung zu sichern. Bislang habe jedenfalls niemand einen „juristisch haltbaren Vorschlag“ vorgelegt.

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