: Muskeln aus der Apotheke
Der Anabolika-Konsum in Fitness-Studios nimmt immer mehr zu, und Anti-Doping-Spezialist Ulrich Haas fordert ein Gesetz zur Bewältigung des Problems
BERLIN dpa ■ Das Ausmaß des Anabolika-Konsums in deutschen Fitness-Centern lässt den Ruf nach einem Anti-Doping-Gesetz immer lauter werden. „Auch wenn wir uns der gesamten Tragweite des Dopings in Fitness-Studios noch gar nicht bewusst sind, ist ein solches Gesetz zwingend erforderlich“, sagte Ulrich Haas, der Vorsitzende der Anti-Doping-Kommission von Deutschem Sportbund und Nationalem Olympischen Komitee, nachdem eine im Bundestag vorgestellte Studie der Universität Lübeck erschreckende Tatsachen ans Licht gebracht hatte. Danach muss derzeit von rund 200.000 „Freizeit-Dopern“ in Deutschland ausgegangen werden.
„Es gibt akute Defizite im Arzneimittelgesetz, so beispielsweise die unterschiedliche Bestrafung bei Einfuhr von Drogen aus der EU oder dem restlichen Ausland“, moniert Haas und fordert, alle das Doping betreffenden Fakten aus dem Arzneimittelgesetz inklusive der Nachbesserungen sowie neue Paragrafen zur Eindämmung des Medikamentenmissbrauchs in den Fitness-Studios in einem neuen Gesetz zusammenzufassen. Als Termin für die Erarbeitung des Gesetzes schwebt ihm das Ende der Legislaturperiode im Jahr 2002 vor. „Der Staat kann es sich einfach nicht leisten, weiter mit einem grauen Arzneimittelmarkt zu leben“, so der Professor aus Halle.
Die Lübecker Studie hatte ergeben, dass die Mehrzahl der Anabolika-Konsumenten ihre Präparate direkt von Ärzten oder aus Apotheken beziehen. Nach Auffassung von Haas ist es zwingend erforderlich, künftig die Einnahme von Doping-Präparaten unter Strafe zu stellen. Deutschland habe da sogar eine internationale Verpflichtung. In einer Europarats-Konvention heißt es, dass alle Mitgliedsländer sich verpflichten, den Dopingkampf auch durch Gesetze zu führen. „Über die Notwendigkeit gibt es angesichts der Zustände in den Fitness-Centern wohl keine Zweifel mehr“, meint Haas. „Wir haben ein riesengroßes Problem.“
Die Zahl der Fitness-Studios ist in Deutschland in den zurückliegenden zehn Jahren von 3.000 auf über 6.000 gestiegen. Wie der Präsident des Deutschen Verbandes für Bodybuilding und Fitness, Friedhelm Beuker, erklärte, werden jährlich in seinem kleinen Verband rund 500.000 Mark für Doping-Kontrollen ausgegeben. Ertappte Sportler würden sofort von Wettkämpfen suspendiert. Die große Masse der Doper, die sich in den Fitness-Centern Muskeln antrainieren wollen und zu unerlaubten Medikamenten greifen, werde von den Tests aber nicht erfasst.
Für Klaus Riegert, den sportpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, kann das Problem mit einem Gesetz nicht gelöst werden. „Die Regierung winkt da mit einer Scheinlösung. Mir ist rätselhaft, wie wir Doping künftig sanktionieren wollen“, so Riegert. Auch Haas räumt ein, dass so ein gravierendes soziales Problem nicht allein per Gesetz zu lösen ist. „Dennoch hielte ich es für falsch, immer nur punktuell etwas nachzubessern. Ein Gesetz böte die ideale Grundlage, künftig gezielter gegen die Doping-Sünder vorzugehen“, hält er entgegen.
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