: Guten Abend, meine Dame
Anne Will folgt Gabi Bauer bei den „Tagesthemen“ – dabei wollte sie den Job eigentlich gar nicht
von ARNO FRANK und ANNE ZUBER
Die Frage war nicht, ob sie’s kann, sondern ob sie überhaupt will – nun scheint sie doch überredet worden zu sein. Wenn die ARD-Intendanten am 3. April zustimmen, wird Anne Will die Moderation der „Tagesthemen“ von Gabi Bauer übernehmen, die nach der Geburt ihrer Zwillinge nicht mehr auf den Platz neben Ulrich Wickert zurückkehren mochte.
Für den vakanten Posten waren viele Namen ins Gespräch gebracht worden: Sandra Maischberger etwa, die erfolgreich bei n-tv talkt, oder Anja Bröker aus dem ARD-Studio Moskau. Dass dabei selten von Anne Will die Rede war, passt zur Karriere der 34-Jährigen. Stets ließ sie sich bitten, nie hat sie sich auf eine Position gedrängt. Zwar wollte sie schon vor dem Abitur Journalistin werden, aber bitteschön nur für Radio und Print: Dem TV-Journalismus misstraute sie zutiefst – erst mal. Nach ihrem Studium der Anglistik, Geschichte und Politologie volontierte sie beim SFB, natürlich im Hörfunk. Fernsehmenschen waren ihr auch dann noch suspekt, als sie für das SFB-Fernsehen schon „Sportpalast“ und die Politsendung „Mal ehrlich“ machte – auch dazu musste sie ihr Chef erst überreden, denn Anne Will wollte nicht: „Ich hatte das ja beobachtet, wie viel Druck auf demjenigen liegt, der am Schluss die Arbeit von ganz vielen zu verkaufen hat. Alle zupfen an einem herum und reden auf einen ein, und dann ist man live drauf – das war mir alles nichts.“ Auch nach der Feuertaufe bliebt sie standhaft: „Genau wie ich mir das vorgestellt hatte. Viel zu viel Bohai“, sagte sie der damals taz.
Mit dem Angebot, als Streckenreporterin den Berlin-Marathon zu kommentieren, konnte die Widerspenstige wieder zum SFB und vor die Kamera gelockt werden, dann folgte 1999 der Aufstieg als erste weibliche Moderatorin des notorischen Männerklüngels „Sportschau“. Endgültig auf den TV-Geschmack kam Anne Will bei den Olympischen Spielen 2000. Ihre früheren Bedenken seien „alles Killefitz“ im Verhältnis zu dem Spaß, den sie in Sydney gehabt habe. Nebenbei konnte die Kölnerin beweisen, dass sie ihr Handwerk beherrscht: „Bei 542.000 Sportarten muss man schon höllisch aufpassen, dass man all die Begrifflichkeiten parat hat“.
Dass Frau Will noch ganz andere Begrifflichkeiten parat hat, wird nun den „Tagesthemen“ zugute kommen: Sie kann nicht nur beharrlich nachfragen, sondern dürfte mit ihrem „herben Charme“ (Süddeutsche Zeitung) auch dem charmanten Ulrich Wickert das Wasser reichen. Ob sie will oder nicht.
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