piwik no script img

Notprogramm für die Staatsbanken

Türkische Regierung will das Übel an der Wurzel packen und die Banken besser beaufsichtigen. Zur Finanzierung müssen Staatsunternehmen verkauft werden. Das macht auch gute Stimmung beim IWF. In drei Monaten soll es wieder bergauf gehen

aus Istanbul JÜRGEN GOTTSCHLICH

Die türkische Regierung hat am Mittwochabend ein „Notprogramm“ zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise vorgelegt. Präsentiert wurden die ersten Schritte zur Stabilisierung der Finanzmärkte von dem neuen Superminister für Wirtschaft und Finanzen, Kemal Dervis. Wichtigster Punkt: die Sanierung der drei größten staatlichen Banken, die die eigentliche Ursache für die Krise sind.

Dervis kündigte ein Gremium von unabhängigen Fachleuten an, das diese Banken zukünftig überwachen soll. Sie brauchen kurzfristig 13 Milliarden US-Dollar, um ihre dringendsten Schulden begleichen zu können. Mittelfristiges Ziel ist, alle drei zu fusionieren.

Außerdem sieht der Notplan vor, die größten staatlichen Konzerne Telekom, Turkish Airlines und den Tabak-, Zucker- und Alkoholmonopolisten Tekel schnell zu privatisieren. Vor Ausbruch der Krise hatte die Regierung sich gegenüber dem Internationalen Währungsfonds (IWF) immer geweigert, die Mehrheit an Telekom und Turkish Airlines abzugeben. Insbesondere durch den Verkauf der Telekom erhofft man sich nun einen großen Teil des Geldes, das für die Sanierung der Staatsbanken gebraucht wird.

Die staatlichen Banken waren der Hintergrund des Zerwürfnisses zwischen Staatspräsident Sezer und Ministerpräsident Ecevit gewesen, mit dem das aktuelle Desaster begann. Bislang wurden sie den Parteien der Regierungskoalition zugeordnet, die sich dann jeweils bei „ihren Banken“ bedienten und billige, oft nicht gedeckte Kredite an ihre Anhänger vergaben. So häuften die Staatsbanken Schulden und faule Kredite von fast 20 Milliarden Dollar an. Kein Wunder, dass die Parteiführer keine unabhängige Untersuchungskommission eingesetzt sehen wollten.

Der drohende Zusammenbruch der Staatsbanken und die Angst, die Geschäftsbanken mit in den Abgrund zu ziehen, war der Anlass, warum nach dem Ecevit-Sezer-Zwist ein Run auf den Dollar einsetzte, der dann zur Abwertung der türkischen Lira um über 30 Prozent führte.

Das Notprogramm entspricht dem, was Sezer vor Wochen gefordert hatte. „Das neue Kontrollgremium für die staatlichen Banken wird frei sein von politischem Druck“, versicherte Dervis. Mit dem forcierten Privatisierungsprogramm will er dem IWF entgegenkommen, da die Türkei dringend neue Kredite aus dem Ausland braucht. „Ohne Unterstützung aus dem Ausland werden wir es nicht schaffen“, sagte Dervis ganz offen.

Zugleich kündigte er an, dass die Regierung in der kommenden Woche ein Sanierungsprogramm vorlegen werde. Nach der akuten Krisenbekämpfung, für die er rund drei Monate veranschlagte, in denen die Inflation noch rund 10 Prozent betragen werde, solle die Erneuerung beginnen, so dass die Wirtschaft ab Mitte des Jahres wieder wachsen kann.

Die ersten Reaktionen der Märkte und der Öffentlickeit auf den Dervis-Notplan sind skeptisch. Die Istanbuler Börse stagnierte auf einem sehr niedrigen Level, der Dollarkurs stieg weiter leicht an. Niemand trennt sich im Moment von Devisen. Haupttenor: „Die sollen erst einmal konkret etwas tun.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen