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Einbürgerung – nein danke

Umfrage unter MigrantInnen: Nur wenige wollen den deutschen Pass. Denn dafür müsste der alte abgegeben werden

BERLIN taz ■ Der große Andrang ist auch nach der Einführung des neuen Staatsbürgerschaftsrechts ausgeblieben. Allen Schätzungen zufolge beantragten im vergangenen Jahr nur etwa 200.000 MigrantInnen einen deutschen Pass. Während die Bundesregierung noch auf die offiziellen Zahlen aus den Ländern wartet und weiter von einer „Erfolgsgeschichte“ redet, wollte die niedersächsische Ausländerbeauftragte Gabriele Erpenbeck die Gründe für die Zurückhaltung erfahren. Gestern stellte sie die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage unter MigrantInnen vor. Das Ergebnis: Die meisten der Befragten, die kein Interesse am deutschen Pass haben, nannten an erster Stelle „emotionale Gründe, das heißt sie möchten ihre bisherige Staatsangehörigkeit generell nicht aufgeben“.

Die Umfrage wurde im Dezember und Januar vom Verein zur Förderung der beruflichen Bildung in Hamburg durchgeführt. Insgesamt wurden 1.699 MigrantInnen interviewt, die in Norddeutschland leben – aus der Türkei, aus Jugoslawien, Bosnien, Kroatien, Russland, der Ukraine und dem Iran.

Befragt nach ihren Einbürgerungsabsichten, gaben 38 Prozent an, sie wollten „sicher“ oder „vielleicht“ die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben. Nur 9 Prozent haben bereits einen Antrag gestellt. Fast die Hälfte (48 Prozent) hat dagegen kein Interesse an einer Einbürgerung, 4 Prozent sind noch unentschlossen – was auch daran liegen dürfte, dass sich viele immer noch nicht ausreichend über das neue Recht informiert fühlen (56 Prozent aller Befragten).

Die Begeisterung für den deutschen Pass hält sich auch bei denen in Grenzen, die gut informiert sind und schon einen Einbürgerungsantrag gestellt haben. Nur jeder Zehnte von ihnen fühlt sich als Deutscher oder Deutsche. Hauptgrund für die Einbürgerung waren vielmehr „rechtliche Vorteile“ wie Aufenthaltssicherung und Schutz vor Ausweisung (63 Prozent).

Gegen eine Einbürgerung spricht für viele MigrantInnen vor allem der Zwang zur Aufgabe des alten Passes (48 Prozent). Weitere 37 Prozent der Zögernden sind der Meinung, dass eine deutsche Staatsangehörigkeit „keine Vorteile“ brächte. Angesichts des politischen Streits zwischen Bundesregierung und Opposition über eine Reduzierung der Gebühren und über andere bürokratische Hindernisse ist bemerkenswert, was die MigrantInnen nicht interessiert: So spielen finanzielle Gründe bei der Entscheidung praktisch keine Rolle. Für lediglich 3 Prozent der Befragten sind die Kosten der Einbürgerung relevant. Völlig unwichtig ist ein möglicher Sprachtest: Gerade mal eine einzige Nennung entfiel auf diese Antwortvorgabe. LUKAS WALLRAFF

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