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Die ÖTV ist bald von gestern

Von Ver.di erhoffen sich manche Gewerkschafter auch ein neues, moderneres Image. Doch die politische Ausstrahlung bleibt ungewiss

von BARBARA DRIBBUSCH

Immerhin die Schlagzeilen kann man sich jetzt schon vorstellen. Das, was in den nächsten Jahren so getitelt wird, wenn Streikende mit Tröten und Trommeln durch die Straßen ziehen, gehüllt in Hemden mit dem Ver.di-Logo. „Fortissimo bei Ver.di“ „neue Streikoper von Ver.di“ oder „Ver.di macht Zukunftsmusik“ wird es heißen – solange, bis einem die Anspielungen buchstäblich zu den Ohren herauskommen. Mit der Gründung der neuen Dienstleistungsgewerkschaft, so viel ist sicher, wird zumindest ein neues Symbol geschaffen.

Doch vor der Gründung kommen erst mal die Massenveranstaltungen. 5.000 Gewerkschaftsdelegierte werden sich von heute an in Berlin auf fünf Gewerkschaftstagen zusammenfinden. Auf den Versammlungen der Gewerkschaften ÖTV, HBV, der IG Medien, der Postgewerkschaft DPG und der DAG sollen die Beschlüsse zur Auflösung dieser Gewerkschaften gefasst werden. Von Montag bis Mittwoch wird dann auf einer Großveranstaltung Ver.di aus der Taufe gehoben. Den Vorsitz soll der bisherige ÖTV-Chef Frank Bsirske übernehmen – wenn alles gut geht.

Denn noch ist der Ablauf nicht gesichert: Stimmen die Gewerkschaftsmitglieder nicht mit einer Mehrheit zwischen 75 und 80 Prozent für die Verschmelzung zu Ver.di, platzt die seit drei Jahren vorbereitete Gründung. Wie schon sein Vorgänger Herbert Mai müsste dann auch Bsirske zurücktreten.

Doch mit einem solchen Ausgang will niemand rechnen: „Die Sache ist gut vorbereitet“, sagt Martin Kempe, bei Ver.di künftig für das Kommunikationsmanagement zuständig. In den vergangenen Wochen ist Bsirske durch die Republik getingelt, um die Ver.di-kritischen ÖTV-Funktionäre doch noch vom Sinn der neuen Dienstleistungsgewerkschaft zu überzeugen. „Der hat die Leute durchgeknetet“, heißt es in der Gewerkschaft.

Fast drei Millionen Mitglieder wird Ver.di haben und damit die größte Einzelgewerkschaft der Welt sein. Dass hinter der Verschmelzung auch handfeste ökonomische Gründe stehen, bestreitet niemand: Allein in den vergangenen vier Jahren verloren die an Ver.di beteiligten Gewerkschaften fast 450.000 Mitglieder. Jetzt werden die Streikkassen zusammengelegt. Das Reinvermögen von Ver.di beläuft sich auf rund 1,6 Milliarden Mark.

Um jeden Unmut an der Basis zu vermeiden, bekamen die Gewerkschaftsbeschäftigten einen Kündigungsschutz für sieben Jahre. Doch irgendwann rechnet man mit großen Einsparungsmöglichkeiten.

Mit dem Verschwinden der alten Logos von ÖTV und den anderen Organisationen erhofft sich mancher auch einen Imagewandel, das sei „die Riesenchance“, heißt es in Gewerkschaftskreisen. Die Ver.di-Mitglieder werden auf 13 Fachbereiche verteilt, darunter den Fachbereich für Bildung, Wissenschaft und Forschung, den Fachbereich für Medien, Kunst, Kultur, Druck und Papier oder den Fachbereich für Telekommunikation und Informationstechnologie. Mit der neuen Aufteilung soll Ver.di auch Angestellte erreichen, denen bisher zum Begriff „Gewerkschaft“ immer nur die Bilder von aufgebrachten Facharbeitern in Blaumännern einfielen.

„Die Arbeitswelt verändert sich tiefgreifend. Sie entwickelt sich zu einer Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft. Diesen Veränderungsprozess wollen wir mitgestalten“, heißt es auf der Website von Ver.di (www.verdi-net.de). Doch ob die Gewerkschaft selbst neue Flexibilität zeigt, ist ungewiss. Im Vorfeld der Ver.di-Gründung jedenfalls wurde erst mal heftig um Führungsjobs geschachert. Dem Bochumer ÖTV-Bezirksleiter Hartmut Limbeck, ehemals scharfer Kritiker der Ver.di-Gründung, wurde der Posten des Ver.di-Landeschefs von Nordrhein-Westfalen in Aussicht gestellt. Jetzt wettert Limbeck nicht mehr gegen die Verschmelzung, sondern will sich zum „Ver.di-Reformer von innen“ wandeln.

Wie groß die politische Ausstrahlung von Ver.di wird, ist aber unklar. Die Superorganisation, die zum Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) gehören wird, könnte mit drei Millionen Mitgliedern zwar breit mobilisieren. Ob aber so unterschiedliche Mitglieder wie Verkäuferinnen, Datenverarbeiter und Ärzte künftig tatsächlich eine ähnliche soziale Perspektive haben, ist mehr als fraglich.

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