: Liebe von Alaska bis Afrika
Romantik im Taschenformat: Cora Verlag verkauft seit 25 Jahren die ewige Liebe, mittlerweile ■ auch mit einem erotischen Knistern Von Simone Hett
Nick war schon da, als Sharon am folgenden Morgen ankam. Er war salopp gekleidet mit heller Hose und einem Leinenhemd im selben Farbton. Er sah so gut aus, dass Sharon der Atem stockte. Dann spürte sie, wie die aufsteigenden Tränen in den Augen brannten. Und dieser Mann sollte wirklich einer anderen Frau gehören? Wollte sie wirklich so leicht aufgeben? Sharon hatte sich vorgenommen, ihn zurückzuerobern, und bereits beim ersten Rückschlag wollte sie sich geschlagen gegeben.
„Ich warte schon über eine halben Stunde auf dich.“ Nick war keineswegs in freundlicher Stimmung. Er sah Sharon prüfend an. „Warum kommst du so spät?“
Auszug aus: Natalie – „Melodie eines Sommers“
Liebe, Romantik und eine wohldosierte Portion Erotik: Das sind die Zutaten für einen Liebesroman im Taschenformat. Seit 25 Jahren köchelt der Hamburger Cora Verlag seine literarischen Momentaufnahmen des Liebesglücks nach diesem Rezept, Happy End inklusive. „Unsere weibliche Leserschaft liebt es so“, sagt die stellvertretende Redaktionsleiterin Ilse Bröhl. Rund 20 Millionen Bände gehen nach Angaben des Verlages allein im deutschsprachigen Raum jedes Jahr über den Ladentisch. 2,40 Mark kostet der Traum vom ewig währenden Glück im Schnitt. Die handlichen Heftchen sind in jedem Zeitschriftenhandel zu kaufen.
„Natalie“, „Romana“, „Bianca“, „Baccara“, „Tiffany“ heißen die fünf Basisreihen, aus denen frau seit einem Vierteljahrhundert wählen kann. Hinzu kommen die Reihen „Historical“ und „My Lady“ sowie zahlreiche Spezial- und Themenbände. Zusammengefasst werden sie unter dem Stichwort „Romance“ und geschrieben von 1500 Autorinnen aus England, der Mutter des klassischen Liebesromans, und Nordamerika, dem größten Absatzmarkt für Herzens-Literatur. Der zum Springer-Konzern gehörende Cora Verlag ist für den Vertrieb der Romane in Deutschland, nach Österreich und die Schweiz zuständig. Die weltweite Präsenz verdanken die Hamburger dem seit 1976 bestehenden Joint Venture mit der kanadischen Harlequin Ltd.
Inzwischen werden die Romane in 20 Sprachen übersetzt und in 100 Länder verkauft. „Die Sprache der Liebe ist international – das funktioniert von Alaska bis Afrika“, erklärt Bröhl den weltweiten Erfolg der „Fantasien von Frauen für Frauen“. 95 Prozent der Autoren- Gilde ist weiblich, vereinzelt würden aber auch Ehepaare schreiben. Hauptsache sie können sich in die Gefühlswelt der Leserinnen reindenken, die für ein paar Stunden der Alltagsrealität entfliehen wollen.
Für Rosenkriege und Beziehungsdramen ist in der heilen Roman-Welt kein Platz. „Wir alle wünschen uns doch einen Partner, mit dem wir bis ans Lebensende glücklich sein können“, sagt Bröhl überzeugt. Mittlerweile seien die Romane aber wirklichkeitsnäher geworden als in den 70er Jahren. Da gibt es allein erziehende Mütter, Karrierefrauen – vorzugsweise aus dem Journalisten- oder Künstlermilieu – und auch die männlichen Romanhelden müssen längst nicht mehr nur gut küssen können. Das alte Männerideal des verschlossenen Macho sei dem einfühlsamen Helden gewichen, der auch schon mal die Windeln wechseln könne, heißt es von Verlagsseite.
„Frauen genießen heutzutage ihre Unabhängigkeit und leben ihre gesellschaftliche, sexuelle und finanzielle Freiheit aus“, meint Autorin Anne Mathers, die seit 25 Jahren für die Reihe „Julia“ schreibt. Spätestens seit Filmstars wie Sharon Stone oder Kim Basinger in den USA einen neuen, freizügigeren Frauentyp kreiert haben, sind auch die Heldinnen der Groschenromane sinnlicher geworden. Deshalb darf in den Heftchen der Reihe „Baccara“ auch schon mal die Erotik knistern. „Aber in einem geschmackvollen Rahmen“, so Bröhl, „und nur zwischen Romanheld und Romanh“.
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