: In Windeseile an die Börse
Der Propellerhersteller Nordex will noch im März an den Neuen Markt. Der Zeitpunkt des Börsengangs ist gut gewählt, Ökoaktien sind gefragt, während IT und Biotech absacken
Günstiger hätte das Timing für den geplanten Börsengang nicht ablaufen können. Die zum Babcock-Borsig-Konzern gehörende Nordex AG wird der erste deutsche Produzent von Windkraftanlagen sein, der börsennotiert ist. Die Rahmenbedingungen für den IPO (initial public offering, Börsengang) sind gut und dafür sorgen auch EU-Richter. „Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs kommt genau richtig. Es schafft Planungssicherheit für die Windkraftbranche, für Anleger und Investoren“, erklärt Nordex-Vorstandschef Dietmar Kestner.
Die Betreiber von Windkraftanlagen können in Deutschland weiter auf Mindestabnahmepreise für Ökostrom bauen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am Dienstag voriger Woche in Luxemburg einen Vorstoß von PreussenElektra gegen diese gesetzlich vorgeschriebene Regelung abgelehnt. Der zu Eon fusionierte Energiekonzern wollte die Pflicht der Stromversorger kippen, Ökostrom aus Windkraft zu einem Mindestpreis abzunehmen. Die Richter stellten klar, die Regelung stehe in Einklang mit dem Ziel der Europäischen Union, den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern.
Das Urteil schafft ein optimales psychologisches Umfeld für den anstehenden Börsengang des Rotorenbauers. Unter dem Motto „Think Wind!“ läuft die Pre-IPO-Kampagne von Nordex seit Ende Februar. In ganzseitigen Anzeigen wirbt die Babcock-Tochter für ihr unternehmerisches Erfolgsrezept: Energie aus Windkraft mit Riesenpropellern.
Nordex gehört mit einem Weltmarktanteil von neun Prozent zu den führenden Herstellern von Rotoren. „Weltweit hat kein anderes Unternehmen so viele Großanlagen verkauft wie die Nordex-Gruppe“, weiß das Fachmagazin Börse now zu berichten. Gerade der Markt im Bereich der Megawatt-Klassen stecke erst am Anfang einer rasanten Entwicklung, orakelt das Würzburger Börsenblatt.
Langfristig bietet die Windkraftbranche Anlegern gute Perspektiven. Allein bis zum Jahr 2005 rechnen Experten des Internationalen Wirtschaftsforums für regenerative Energien an der Uni in Münster bei Windkraftanlagen weltweit mit Zuwachsraten von mindestens 15 Prozent. Bis 2010 will die EU den Anteil der Ökostrom-Quellen verdoppeln, mit dem Richterspruch aus Luxemburg wird das nun wahrscheinlicher. Der weltweite Markt ist seit 1997 durchschnittlich um rund 30 Prozent per anno gewachsen. Banken wie M. M. Warburg stufen in ihren Analysen vor allem den Ausbau der Windenergie auf internationalen Märkten als „eine der vielversprechendsten Wachstumsbranchen ein“. Und genau darin liegt eine der Stärken von Nordex. Das Unternehmen aus Norderstedt bei Hamburg produziert seine Windmühlen in Rostock. Es hat sich auf den Bau von Großanlagen spezialisiert. Das Flagschiff heißt „N 80“ und verfügt über eine Leistung von 2,5 Megawatt (MW). Kaufpreis inklusive Planung, Bau, Errichtung und Netzanschluss: rund vier Millionen Mark. Bei Anlagen von einer Nennleistung von mehr als einem MW hat Nordex schon heute einen Weltmarktanteil von 13 Prozent. Die bereits börsennotierten dänischen Mitbewerber Vestas und NEG Micon halten 16,6 und 19,4 Prozent am weltweiten Anlagenkuchen. „Im Jahr 2000 hat Nordex rund 50 Prozent des Umsatzes im Ausland erwirtschaftet“, weiß das Magazin telebörse zu berichten und handelt Nordex als „heißen Tipp“ für Ökoanleger. Ob in der Wüste Ägyptens, in den weiten Ebenen Chinas, den windigen Steppen Russlands oder im hohen kalten Norden Kanadas – Nordex liefert schon dorthin, wo andere Hersteller erst hin wollen. Bereits heute geht jede zweite Nordex-Megawattanlage ins Ausland. Die Rotorenschmiede profitiert bei ihren Exportgeschäften vor allem von den Erfahrungen ihrer international tätigen Konzernmutter Babcock.
Nicht nur die politischen Rahmenbedingungen in Deutschland und in Europa sind gut, auch die Erlöse des Unternehmens können sich sehen lassen. Im Geschäftsjahr 1999/2000 lag der Umsatz bei 272 (Vorjahr 224) Millionen Euro, der Vorsteuergewinn machte 13,2 Millionen Euro aus. In diesem Jahr rechnet Nordex-Manager Kestner mit einem Umsatz von 350 Millionen Euro. Die Wachstumsaussichten seien rosig, Windkraft im Aufwind.
„Die alternative Energiegewinnung ist ein Zukunftsthema“, meint Helene Korczok-Nestorov, Fondsmanagerin beim Invesco Fondsservice, davon würden Unternehmen wie Nordex ohne Zweifel profitieren. Ähnlich urteilen Bankhäuser wie M. M. Warburg oder die Investmentbank Chevreux. Alle Experten erwarten einen weiteren Wachstumsschub mit der Errichtung von Offshore-Windparks auf See. Und genau in diesem lukrativen Marktsegment will Nordex künftig auch mitmischen. Zusammen mit dem Windkraftanlagenbauer Jacobs Energie aus Husum und dem Rendsburger Entwicklungsbüro pro + pro Energiesysteme will Nordex bis 2002 eine Fünf-MW-Anlage für den Offshore-Betrieb entwickeln. Durch ihre Produktionsstätte in Rostock mit direktem Meerzugang verfügt Nordex über ideale Voraussetzungen für den Offshore-Markt. „Ein echter Standortvorteil für alle seegestützten Windparkprojekte“, meint Dietmar Kestner. Ab 2005 rechnen Analysten wie Christoph Vogt vom Bankhaus M. M.Warburg mit einer rasanten Nachfrageentwicklung für Offshore-Analagen.
Im boomenden Markt für Windkraftanlagen will Nordex wachsen. Dafür braucht die Führungsmannschaft um den 44-jährigen Kestner Kapital. Mit dem Gang an den Neuen Markt soll das beschafft werden, damit das zur Babcock-Borsig-Gruppe gehörende Unternehmen mit frischen Millionen versorgt wird, die auch für Akquisitionen in Europa verwendet werden sollen. Ein lukrativer Markt, der bisher von den börsennotierten dänischen Herstellern Vestas und NEG Micon dominiert wird. Analysten von Merck Finck und dem Bankhaus Julius Bär rechnen mit satten Gewinnsteigerungen, der Börsengang von Nordex könnte für Anleger allein schon deswegen ein gutes Geschäft werden. Unter der Führung der Dresdner Kleinwort Wasserstein und der WestLB Panmure soll der Weg aufs Parkett führen. Mit dem Börsengang soll das Grundkapital von 34 auf 52 Millionen Euro erhöht werden.
Noch nicht geklärt ist der Emissionspreis für eine Nordex-Aktie. Er wird im Bookbuilding-Verfahren vom 20. bis 30. März 2001 ermittelt. Kaufanträge für den bevorzugten Erwerb können in der Zeit vom 20. bis 28. März bei allen Depotbanken abgegeben werden. Mancher Manager wird den Sprung von Nordex aufs Parkett des Neuen Marktes besonders aufmerksam beobachten: Dazu zählt vor allem die Geschäftsführung der Lübecker Windmühlenschmiede DeWind. Die Nordlichter liebäugeln auch mit dem Börsengang – wann der kommt, hängt vielleicht auch von der Premiere des Konkurrenten Nordex ab. Die Stimmung am Neuen Markt für Öko-Kraftwerksbauer ist derzeit jedenfalls gut – dazu hat auch der jüngste Gerichtsbeschluss des EuGH in Sachen Stromeinspeisevergütung beigetragen. „Viele europäische Länder werden sich jetzt dem Modell des deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetzes anschließen, das international zum erfolgreichsten gesetzlichen Rahmen geworden ist“, meint Hermann Scheer, SPD-MdB und Präsident von Eurosolar. Sollten seine Vorstellungen vom Export des EEG Wirklichkeit werden, dann sind die Bedingungen für einen auf Export getrimmten Windkraftanlagenbauer wie Nordex nicht mehr zu toppen. „EEG überall in Europa, was Besseres könnte uns nicht passieren“, sagt Nordex-Chef Kestner. MICHAEL FRANKEN
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