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Ein Land steht vor dem Krieg

Der Angriff der UÇK gefährdet ganz Makedonien. Die Albaner, die bisher friedlich um mehr Rechte kämpften, radikalisieren sich spürbar

aus Tetovo ERICH RATHFELDER

Die zweitgrößte Stadt des Staates wird tagelang von der Guerilla beschossen. Viele Einwohner fliehen. Der Präsident mahnt protestierende Bürger, die Waffen fordern, zur Besonnenheit. Das Parlament fordert einmütig internationale Hilfe. Die Reservisten werden einberufen. Beschwörend weist der Vertreter der internationalen Gemeinschaft darauf hin, nur nationale Einigkeit könne den Zusammenbruch verhindern. Militärisch sei das unmöglich.

Die Rede ist von Makedonien. Das Feuer, mit dem seit Tagen albanische Rebellen Tetovo von den Bergen her bestreichen, lässt die Hoffnungen auf eine friedliche Zukunft des zwei Millionen Einwohner zählenden Kleinstaats schnell schwinden. Makedoniens zehnjährige Geschichte seit dem Zerfall Jugoslawiens war bislang den Umständen entsprechend erstaunlich gut verlaufen. Das Land hatte es geschafft, sich aus den kriegerischen Auseinandersetzungen der Region herauszuhalten. Makedonien wurde sogar von internationaler Seite zum Modell erhoben: Die slawische Mehrheitsbevölkerung der Makedonier und die als Minderheiten eingestuften Volksgruppen der Albaner, der Serben, Bulgaren, Türken, Rumänen, Roma und anderer seien daran, einen gemeinsamen Weg aus dem Postkommunismus in eine demokratische Zukunft zu finden, lobten Diplomaten und Politiker.

Die Hoffnung wurde genährt durch den Machtwechsel im Herbst 1998. Damals verlor die Nachfolgepartei der Kommunisten, die Sozialistische Partei, die Wahlen. Die Sieger, die makedonischen Nationalisten „VMRO – Demokratische Partei für die makedonische Einheit und demokratische Alternative“ und die „Demokratische Partei der Albaner (DPA)“ unter dem albanischen Nationalistenführer Arben Xhaferi bildeten überraschend eine Koalition, der es gelang, die interethnischen Spannungen abzumildern und eine Reformpolitik zu beginnen. Als dann im November 1999 sogar noch der Kandidat der Koalition, Boris Trajkovski, mit den albanischen Stimmen gegen den Widerstand der mit nationalistischen Parolen angetretenen Sozialisten zum Präsidenten gewählt wurde, war die Koalition stabilisiert.

Albanische politische Gefangene wurden entlassen, Albaner rückten in die Polizei und in andere Bereiche des Staatsapparates ein, es wurden erste Voraussetzungen geschaffen, die albanische Sprache als offizielle Sprache anzuerkennen. Zwar war es nach der Flucht von knapp vierhunderttausend Kosovoalbanern nach Makedonien im Frühjahr 1999 zu Übergriffen der makedonischen Polizei auf Flüchtlinge gekommen, im Ganzen jedoch konnte die Krise erstaunlich gut bewältigt werden.

Die hoch gesteckten Erwartungen der Albaner, die nach eigenen Angaben vierzig, nach offiziellen Statistiken 25 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen, wurden aber enttäuscht. Nach wie vor werden sie, die sich als ältestes Volk auf dem Balkan sehen und im Norden und Westen des Landes über geschlossene Siedlungsgebiete verfügen, als „Minderheit“ eingestuft. Und das ist ein Rückschritt im Vergleich zur Zeit von Titos Jugoslawien. Damals waren die Albaner Makedoniens als gleichberechtigte Nation in der Republik Makedonien definiert. Sie hatten Anteil am öffentlichen Leben. Polizisten, Richter und Journalisten waren im System angemessen vertreten. Albaner hatten das Recht auf eigene Medien, albanische Kinder konnten das Schul- und Universitätssystem in albanischer Sprache durchlaufen.

Seit der Unabhängigkeit 1991 aber ist Makedonien ein „Nationalstaat der Makedonier“. Die einzige offizielle Sprache des Landes ist die makedonische. Obwohl seit zwei Jahren ein Albaner Polizeichef in Tetovo ist, sind albanische Polizisten in dieser zu 80 Prozent von Albanern bewohnten Stadt in der Minderheit, die Gefängniswärter sind alle Makedonier. Albaner bekommen nur selten Jobs im Staatsdienst, wegen der hohen Arbeitslosigkeit müssen viele Männer emigrieren. Auch wenn in der Primar- und Sekundarstufe der Schulen weiterhin auf Albanisch unterrichtet wird, an den Universitäten wird heute nur noch Makedonisch gesprochen. Die privat finanzierte und auf die Behebung des Lehrermangels ausgerichtete albanische Privatuniversität in Tetovo wird nach wie vor nicht anerkannt. Vor einigen Wochen wurde allerdings der Grundstein für eine „Südosteuropa-Universität“ in Tetovo gelegt, die die albanische Sprache zulässt und von der EU finanziell unterstützt wird.

Die albanische Bevölkerung hat sich spürbar radikalisiert. Sie stellt zwar bisher den Staat Makedonien nicht in Frage. Aber: Die Diskriminierung der Albaner müsse schnellstens beseitigt werden. Die DPA des inzwischen schwer kranken Arben Xhaferi habe versagt, sie sei so korrupt wie die zweite Albanerpartei, die vor dem Machtwechsel mit den Sozialisten koaliert und wegen der Korruption abgewählt worden war. Diese PDP (Partei der Demokratischen Prosperität ) spielt heute keine politisch bedeutsame Rolle mehr.

Zur Sprecherin einer Autonomiebewegung hat sich die neu gegründete Nationaldemokratische Partei (PDK) gemacht, die von ehemaligen politischen Gefangenen getragen wird. Und Cevat Ademi, einer ihrer Führer, sympathisiert offen mit dem bewaffneten Kampf, der von den Dörfern der Randgebiete jetzt in die Städte getragen wird.

Angesichts der Diskriminierung im Schulsystem hat die albanische Bevölkerung in Makedonien kaum Intellektuelle hervorgebracht, die eine Reformbewegung anführen und deren Forderungen im Staate durchsetzen könnten. So ist die Bevölkerung auch der Städte mehr und mehr fasziniert von der UÇK, von „unserer Armee“.

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