: Schreibende Zunft
Alle machen es jetzt Antje Radcke nach. Ausblick auf den GAL-Bücherfrühling ■ Von Peter Ahrens
Es ist die Zeit der Enthüllungen. Und es ist die Zeit der Veröffentlichungen. Jetzt muss alles auf den Tisch. GALierInnen ziehen sich in ihre Studierstube zurück, lassen ihr bewegtes Leben (Straßenkampf, Postenkampf, Pensionenkampf) bei einem guten Rotwein an sich vorüberziehen und notieren und diktieren. Antje Radcke ist nicht die einzige. Wer schreibt, der bleibt – in den Schlagzeilen. Die GAL schreibt zurück.
Als erstes hat Krista Sager ges-tern Abend bei der Sitzung des Landesausschusses ihr Manuskript auf den Tisch gepackt. „Ich“ lautet das Werk kurz und prägnant, und Sager hat unverzüglich Titelschutz dafür beantragt, bevor andere GALierInnen darauf Zugriff nehmen konnten. Eine erschütternde Lebensbeichte mit dem Untertitel „Vom KBW zum NIT“. Es ist die Geschichte eines Menschen und seiner Begegnung mit den Eliten der jeweiligen Zeit: Ein Sehnen, das sich tragischerweise nie erfüllt. Der Vorabdruck soll in der Fachzeitschrift Unicum erscheinen. Sager: „Wenn der Eindruck einer Abrechnung entsteht, dann tut mir das Leid.“
Es veröffentlicht Kurt Edler: Unter dem Arbeitstitel „Sei's Edler im Gemüt“ gewährt er Einblicke in die berühmten grünen Kungelrunden der 80er und 90er Jahre. Sein Buch spielt, so der Verlag im Klappentext, „hinter den Kulissen eines fiktiven Landesverbandes irgendwo in Norddeutschland“. Edler verspricht „brisante Details aus Vorstandssitzungen“, im Zentrum soll dabei „die Vorstandssprecherin Antje Radcke“ stehen. Sämtliche Namen sind dabei frei erfunden.
Ein Roman, herausgegeben vom Cora-Verlag, steht uns demnächst von Heike Opitz ins Haus. „Jung und unbeschwert“ ist der Entwicklungsroman einer jungen Frau, die in die große Stadt zieht. Die Metropole verwirrt und erstaunt sie, sie begegnet dem irritierenden Phänomen „Politik“, doch selbstbewusst versucht sie, ihr Schicksal in die Hand zu nehmen. Wie es ihr schlussendlich ergeht? Wir wollen nicht zu viel verraten. Die Bild-Zeitung, die das Manuskript zunächst angeboten bekommen hat, hat abgelehnt. Es finde sich darin zu wenig über das Bolzenschneidertum 1968.
Auf der Leipziger Buchmesse sollen die Erinnerungen von Ale-xander Porschke erscheinen. Unter dem Titel „Politik aus der Froschperspektive“ führt der Autor auf 314 Seiten in das Einmaleins politischen Handelns ein. Kapitel wie „Wie ich mal das Pumpwasserwerk in Neugraben-Fischbek einweihte“ oder „Auf Schusters Rappen im Hötigbaum“ reichern den Stoff mit vielen lustigen Anekdoten an. Ein Vorabdruck erscheint in der Kundenzeitschrift der Stadtentwässerung.
Für erheblichen Wirbel schon im Vorfeld der Veröffentlichung hat bereits das Werk „Zwei-Linien-Abseits. Ein Bodycheck vom grünen Tisch“ von Kordula Leites gesorgt. Die ehemalige Vorstandssprecherin hat eine gnadenlose Abrechnung mit Klüngeleien, parteiinternen Scharmützeln und der Realo-Prominenz angekündigt. Gleichzeitig hat sie sich jedoch schon mal im Vorfeld entschuldigt: „Dass ich das Buch veröffentliche, tut mir Leid.“ Sie betrachte es als Fehler, die Thesen zu publizieren: „Inhaltlich nehme ich aber nichts zurück.“
Die bildungs- und flüchtlingspolitische Sprecherin der Bürgerschaftsfraktion, Christa Goetsch, hat sich dagegen entschlossen, ihre lyrischen Texte lieber auf CD zu pressen. Gemeinsam mit ihrer Band „Verlässliche Halbtagsgrundschule“ kommt demnächst die erste Single auf den Markt: „Migration (I wanna be Daylight in your Eyes)“.
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