piwik no script img

Die stolze Gefahr

Ex-CDU-Chef Schäuble spitzt Nationalstolzdebatte zu: Trittin soll Menschen angeblich Rechtsextremen zutreiben. Grünen-Chefin Roth fordert umgehend Entschuldigung

BERLIN taz/afp/dpa ■ Bundesumweltminister Jürgen Trittin, der sich konsequent weigert, ein stolzer Deutscher zu sein, steht weiter im Kreuzfeuer der Unionskritik. Ex-CDU-Chef Wolfgang Schäuble trieb nun die Patriotismusdebatte auf eine neue Spitze, indem er Trittin vorwarf, mit der Ablehnung jenes Satzes „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein“ die Menschen scharenweise den Rechtsextremen in die Arme zu treiben. „Ich glaube, er hat eine viel größere Wirkung als diese wenigen Dummschwätzer und Schreier, die es bei den Extremen gibt“, sagte Schäuble gestern.

Grünen-Parteichefin Claudia Roth nannte Schäubles Äußerung eine „maßlose Entgleisung“ gegenüber einem Politiker, dessen politisches Leben auch auf dem Kampf gegen jene gründet, die andere „totstiefeln“. Schäuble habe den demokratischen Konsens endgültig verlassen und jegliche Mindeststandards im politischen Umgang verletzt. Roth forderte umgehend seine Entschuldigung bei Jürgen Trittin.

Hessens CDU-Ministerpräsident Roland Koch rief zur sachlichen Debatte über die nationale Identität auf. Er selbst sei gern Deutscher. Im aktuellen Streit sehe er aber eine Instrumentalisierung des Themas zu Wahlkampfzwecken. Er beobachte „merkwürdige Pingpong-Spiele“, bei denen etwa die Worte des Bundespräsidenten verdreht und Johannes Rau zum vaterlandslosen Gesellen stilisiert werde. Der designierte FDP-Chef Guido Westlerwelle sieht die Sache nicht so liberal: Raus Äußerung, man könne nicht stolz auf sein Land, sondern nur auf die eigene Leistung sein, sei „geradezu verklemmt“. Der Bundeskanzler geht nach einem Bild-Bericht auf Distanz zu seinem Umweltminister. Schröder soll Trittin als „Risiko“ bezeichnet haben.

Israels Botschafter Schimon Stein warnte angesichts der Patriotismusdebatte: „Für mich ist es selbstverständlich, dass ich stolz bin, Israeli zu sein. Die Deutschen müssen sich selbst die Frage beantworten, ob sie unbefangen mit dem Begriff des stolzen Deutschen umgehen wollen. Sie sollten aber daran denken, welches Missverständnis damit im Ausland auch erzeugt werden kann“, so Stein. CA

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen