: Berlin geht baden
Schwimmen gehen schwer gemacht: Wie Senat und Bäderbetriebe alles daransetzen, noch den letzten Schwimmer zu verkraulen
Das schafft nur die preußische Provinz. Pünktlich zur Brigitte-Frühjahrs-Diät stoßen der Berliner Senat und seine Bäderbetriebe alle jene vor die Schwimmhauben, die sich im allgemeinen Fitnesstaumel anschicken, ihren Winterspeck abzuschwimmen. Das angekündigte Aus für 8 Freibäder sowie die Schließung von 37 der 48 Hallenbäder während der Sommermonate ist dabei noch das Geringste. Den Badebetrieb in den verbliebenen Bädern aber auf die Zeit von 10 bis 19 Uhr zu beschränken, ist so arbeitnehmerfreundlich wie ein Galaabend der Staatsoper zur besten Mittagszeit.
Doch dem neuen Interimsbäderchef Ortwin Scholz scheint es mit dem Highnoon für die Berliner Schwimmer und Schwimmerinnen ernst zu sein. „Wer vor oder nach der Arbeit nicht schwimmen kann, muss eben am Sonntag gehen“, verrät sein Sprecher Manfred Radermacher. Nur weiter so, möchte man da sagen, bis auch der letzte Kredit verspielt ist. Die BVG hat es schließlich vorgemacht, wie mit immer weniger Angebot bei immer teureren Preisen auch der letzte Kunden verprellt wird.
Derweil die CDU-Spenden die Sozialdemokraten in der Koalition einen kleinen Budenzauber vollführen lassen, vergisst der sozialdemokratische Sportsenator Klaus Böger offenbar, welche Idee der Einrichtung von Frei- und Hallenbädern zugrunde lag. Der großen Masse der Bevölkerung sollte die Möglichkeit zur körperlichen Ertüchtigung gegeben werden. Offenbar denken Böger und sein Bäderchef aber nicht mehr an die Masse, sondern nur noch an jene Freiberuflichen, die sich ohnehin alles ein- und aufteilen können. Pfui!
Schon seit langem haben die Bäderbetriebe eine Studie, wer zu welchen Zeiten wann schwimmen geht. Doch die wird unter Verschluss gehalten. Business as usual also bei den Bäderbetrieben, bei denen im alten Vorstand die Millionen nur so in den Abfluss flossen.
Aber sollen sie ruhig weiter sägen auf dem Ast, auf dem sie sitzen. Wenn die Berliner erst mal völlig wegbleiben, wird man zu Recht fragen, ob nicht die verbliebenen 84 Millionen Mark Zuschüsse für die Bäderbetriebe 84 Millionen zu viel sind.
„Da geh ich baden“ – mit diesem Slogan und herrlich sommerlichen Strandmotiven haben die Berliner Bäderbetriebe im vergangenen Sommer die Kunden zu locken versucht. Vielleicht werden die verprellten Schwimmer ja in diesem Jahr das Konterfei von Ortwin Scholz mit dem Zusatz plakatieren: „Da ging ich baden.“ UWE RADA
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