: Umworbene Aussteiger
Innen- und Jugendverwaltung wollen bei Schilys Aussteigerprogramm mitmachen. Der Verfassungsschutz will sich vor allem auf die „zweite Ebene“ der Neonazis konzentrieren
Auch das Land Berlin wird sich an dem von Bundesinnenminister Otto Schily angekündigten Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten beteiligen. Wie Innenstaatssekretärin Mathilde Koller gestern im Verfassungsschutzausschuss erklärte, werden in der Innenverwaltung zurzeit „konzeptionelle Überlegungen“ angestellt, wie ein solches Aussteigerprogramm für Berlin aussehen könnte. In die Planung einbezogen werde auch die Jugendverwaltung, sagte Koller. „Wir müssen aber aufpassen, dass der Verfassungsschutz nicht die Aufgaben der Jugendfürsorge übernimmt.“
Nach Informationen der taz will sich der Berliner Verfassungschutz als Zielgruppe vor allem auf die zweite Ebene der rechte Szene konzentrieren. Das Programm des Bundesinnenminsteriums ist ganz allgemein an „alle Angehörigen der rechtsextremistischen Szene – von so genannten Führungspersonen bis zu den Mitläufern“ gerichtet. Eingerichtet werden soll ein Infotelefon, bei dem sich Aussteigewillige melden können. Ihnen soll bei der Arbeits- und Wohnungssuche geholfen und in Einzelfällen auch in begrenztem Umfang eine finanzielle Unterstützung gewährt werden. Auf der Innenministerkonferenz im Mai sollen die Vorstellungen von Bund und Ländern koordiniertwerden.
Wie weit die Pläne des Berliner Verfassungschutzes konkret aussehen, wollte Koller nicht verraten. Der Verfassungsschutzexperte der Grünen, Michael Cramer, bezweifelt, dass der Verfassungsschutz der richtige Adressat für aussteigewillige Rechte ist. Pfarrer oder Sozialarbeiter mit Schweigepflicht hält er für bessere Ansprechpartner.
In der Diskussion um das Aussteigerprogramm der Bundesregierung hatte es zuletzt Streit wegen möglicher „Finanzhilfen“ gegeben. Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) hatte gewarnt: „Wenn man das Aussteigen subventioniert, dann fördert man natürlich das Einsteigen.“ Schily selbst beteuerte, dass finanzielle Hilfen nur „in begrenztem Umfang“ vorgesehen seien. PLUTONIA PLARRE
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