Schas = Erfolg

Eine bemerkenswerte Studie über die Bewegungspartei

Schas steht für eine Erfolgsstory in der israelischen Politik. Die religiöse Partei hat zwar nur stolze 141 Mitglieder, aber bei den letzten Wahlen erhielt sie 430.000 Stimmen – obwohl ihr Parteivorsitzender Deri der Bestechlichkeit bezichtigt wurde, und der religiöse Vordenker, Rabbi Josef, regelmäßig mit umstrittenen Aussagen für Unruhe sorgte. Schon vor ihrem Wahlerfolg gelang es Schas als Mehrheitsbeschaffer mehrerer Regierungen ihre eigenen Interessen durchzusetzen.

Schas ist jedoch mehr als eine herkömmliche Partei. Die „Vereinigung der sephardischen Torah-Wächter“, wie sie offiziell heißt, ist die politische Vertretung der orientalischen Juden (Misrachim) in Israel. Ihre Bedeutung geht, das zeigt die bemerkenswerte Studie von Felix Gregor Neugart, weit über die parlamentarische Repräsentanz hinaus. Für die Misrachim bedeutet der Einfluss von Schas nicht allein, dass ihre Stimme Gehör findet in der ansonsten von Juden europäischer Herkunft dominierten Politik. Vielmehr noch bedient die Organisation, die sich als Bewegung versteht, die sozialen, religiösen und gesellschaftlichen Bedürfnisse dieser Minderheit. Denn seit ihrer Einwanderung wird sie kulturell diskriminiert und sozio-ökonomisch benachteiligt.

Neugart beleuchtet zudem den Widerspruch zwischen der säkularen Mehrheit und dem traditionalistischen Religionsverständnis der Misrachim. In dieser Lücke, die zwischen weltlichen Juden und ultraorthodoxen Gruppen europäischen Ursprungs klaffte, konnte seit 1984 Schas an Boden gewinnen. Der Autor zeigt den bisher weitgehend unbekannten Gründungsprozess der Partei, die aus zwei Kommunalwahllisten entstand.

Rasch konnte Schas die jüdisch-orientalische Unterschicht für sich gewinnen: mit einem Programm der „spirituellen Erneuerung“, charismatischen Persönlichkeiten wie Oberrabbiner Ovadia Josef und einem Bildungs- sowie einem sozialen Netzwerk. Neugart macht an diesem Punkt deutlich, dass Schas ein politisches und ein sozial-gesellschaftliches Phänomen ist.

Seine Analyse reproduziert dabei nicht die üblichen Stereotypen über religiöse Juden. Er liefert einen wichtigen Beitrag zum Verständnis einer bislang kaum erforschten israelischen Partei und bietet einen grundlegenden Einblick in die Verknüpfungen von Religion und Politik im Nahen Osten. CHRISTIAN BALA

Felix Gregor Neugart: „Die alte Herrlichkeit wiederherstellen. Der Aufstieg der Schas-Partei in Israel“. Wochenschau Verlag, Schwalbach i. T. 2000,100 Seiten, 26 DM