In der Falle der Arbeitslosigkeit

40 Prozent der Berliner Türken sind arbeitslos. Sind die Sprachdefizite verantwortlich?

BERLIN taz ■ Ist bald jeder zweite Berliner mit einem türkischen Pass ohne Arbeit? Ende Februar betrug die Arbeitslosenqote in der türkischen Community bereits 40 Prozent. Tendenz steigend. Zum Vergleich: Die Arbeitslosenquote für Berlin liegt bei 16,5 Prozent. Barbara John, Ausländerbeauftragte des Senats, sprach deshalb gestern bei einem Pressegespräch des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg von einem „dramatischen sozialen Abstieg“.

Von den etwa 47.000 arbeitslosen Ausländern in Berlin stammen über 20.000 aus der Türkei. Das sind 43 Prozent. Während 1996 noch 36.000 Türken in Berlin eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausübten, waren es Ende 1999 nur noch 29.000. Auffällig ist die fehlende berufliche Qualifikation: Rund 90 Prozent aller türkischen Arbeitslosen in Berlin haben keinen Berufsabschluss.

Alisan Genc, Projektleiter beim Türkischen Bund Berlin-Brandenburg (TBB), nannte die Arbeitslosigkeit das „größte Hindernis auf dem Weg zur Integration“. Die erste Generation der Migranten sei praktisch vollständig vom Arbeitsmarkt verdrängt worden. Die zweite und dritte Generation leide vor allem unter der schlechten Bildungssituation. Etwa 68 Prozent der Jugendlichen haben keinen oder nur einen Hauptschulabschluss. Klaus Clausnitzer, Präsident des Landesarbeitsamtes Berlin, nannte als Hauptproblem das „große Sprachdefizit“ unter den Berliner Türken. Fehlende Deutschkenntnisse seien vor allem unter den türkischen Jugendlichen verbreitet. Clausnitzer forderte vor allem die Familien zu mehr Initiative auf. Eltern müssten ihre Kinder dazu bringen, Deutsch zu lernen, damit sie später auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt eine Chance hätten.

Auch Flexibilität sei gefragt: In Süddeutschland würden qualifizierte Arbeiter gesucht. „Man muss auch darüber nachdenken, fünf Tage dort zu arbeiten“, so Clausnitzer. Besonders hart von der Arbeits- und Ausbildungsnot betroffen sind die türkische Frauen in der Hauptstadt. Laut Landesarbeitsamt haben fast alle arbeitslosen Türkinnen keine Ausbildung. Von den rund 7.000 arbeitslosen Frauen aus der Türkei hatten im September 2000 fast 4.500 keinen Schulabschluss. JULIA HARBECK