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Gewaltsames Unterhaken

Konfliktmanager Westerweck wünscht sich „null Verletzte“ auf beiden Seiten und managt Sandsäcke auf Trecker  ■ Von Heike Dierbach

Helfred Westerweck kommt diesmal zu spät. Die „Situation kurz vor dem Eskalieren“, wegen der ihn der Einsatzleiter nach Dahlenburg gerufen hat, ist bei seinem Eintreffen abgehakt: Die Demonst-rantInnen haben freiwillig die Gleise verlassen. Westerweck freut sich: „Hoffentlich bleibt es so gewaltfrei“. Der 55-Jährige ist „Konfliktmanager“ des Bundesgrenzschutzes.

„Schönredner“ schimpfen die AtomgegnerInnen. Westerweck kann den Vorwurf „verstehen“, lässt ihn aber für sich nicht gelten. Die Verbesserung der sozialen Kompetenz ist ihm doch ein Herzensanliegen, seit er über sein Interesse für Kindererziehung zur Psychologie kam und schließlich Verhaltenstrainer in der BGS-Aus- und Fortbildung wurde. „Die Zahl der verletzten Beamten und Demonst-ranten verringern - auf Null bringen“, ist sein Ziel. „Wobei man sagen muss, dass die Übergriffe von Demonstranten ja in den Medien eher weniger geschildert werden.“

Ein neuer Anruf: Bei Hitzacker sollen DemonstrantInnen auf den Gleisen sitzen. Westerweck rast los, mit 70 Stundenkilometern über die Feldwege. Als er ankommt, führen seine KollegInnen gerade 30 Leute zu Gefangenenbussen. Die Polizei hat den Bahnübergang abgesperrt. Westerweck spricht kurz mit dem Einsatzleiter, schlägt vor, Einzelpersonen und kleinen Gruppen den Durchlass zu gewähren – mit Erfolg.

Er schwärmt davon, wie er bei der Sandsackaktion in Splietau erfolgreich vermittelt hat: Zum Beispiel durften die Trecker daraufhin die Säcke aufladen - „obwohl das eigentlich nicht erlaubt ist.“ Oder die Verhandlungen im Camp Nahrendorf, das vorgestern aufgelöst wurde. „Das war fair“, berichtet Westerweck, „wir haben ja Ersatzquartiere zugelassen.“ Dann sei es auch kein Widerspruch zum Konfliktmanagement, ein Camp, das eine „hohe Gewaltprognose“ hat, zu verbieten.

Jetzt hat einer der Gefangenen Westerweck entdeckt. „Hallo, Konfliktmanager“ ruft er und bittet um ein Gespräch. Er warte nun schon eine Stunde auf seinen Abtransport und wolle vorschlagen, dass er einfach selber wegfahre? Schließlich habe er durch das Betreten der Gleise nur eine Ordnungswidrigkeit begangen. Wes-terweck verspricht, den Einsatzleiter darauf anzusprechen.

„Ich bin sowas wie ein Puffer für Aggressionen“, sagt er. Ein Puffer, der die anderen BeamtInnen entlas-ten soll und den Demonstranten Gelegenheit bietet, ihren Ärger kundzutun. Klar, das gehe nur bis kurz vor tätlichen Auseinandersetzungen, „dann kann ich mich auch nicht dazwischen schmeißen“. Westerweck will auch verhindern, dass Polizeibeamte über die Stränge schlagen. Wie viele allerdings nach dem letzten Castor-Transport wegen Körperverletzung verurteilt wurden, weiß er nicht. Und die Bilder von Schlagstöcken auf Sitzblockierer? Sich unterzuhaken, um nicht weggetragen zu werden, gehört auch schon in den Bereich der Gewalt, findet der Konfliktmanager.

Westerweck kommt zurück zu dem Gefangenen. Aber der Einsatzleiter besteht darauf, ihn zur Gefahrenabwehr mitzunehmen. „Das war ja nun keine Vermittlung“, findet der Gefangene, „an meiner Wahrnehmung der Polizei ändert das gar nichts.“ Mal mit einem Polizisten sprechen - das habe er vorher auch schon getan.

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