: „Gut gelaufen“
Andreas Schorlemmer ist als Polizeiseelsorger im Wendland stationiert. Er will, dass die Kirche in der Polizei Präsenz zeigt
taz: Herr Schorlemmer, wie fühlen Sie sich in der Uniform?
Andreas Schorlemmer: Die Menschen sehen mich völlig anders an. Wenn ich so eine Uniform trage, verschwinde ich als der Mensch, der ich bin. Die Uniform überlagert alles. Man merkt das, wenn man sich mit den Demonstranten auseinandersetzt. Man wird ununterbrochen agitiert. Diese Erfahrung teile ich nun mit den Beamten.
Welche Agitation?
Es gibt eine ganze Reihe von Menschen, die denken, dass wir hier von der Atommafia instruiert sind. Die halten uns für deren Erfüllungsgehilfen. Da ist es doch schwer zu diskutieren. Jede Frage wird zur Gewissensfrage hochstilisiert. Das macht den Beamten zu schaffen. Zumal sie doch auch die Demonstranten verstehen. Keiner will so ein Lager vor der Tür haben.
Sie waren in Wendisch Evern bei der Gleisräumung dabei. Was haben Sie gemacht?
Ich bin heruntergegangen und habe mich auf das Gleis gestellt. Ich habe mit Demonstranten gesprochen. Ich bin nicht angegriffen worden. Es haben sich zwar viele Leute gewehrt, aber es war nicht so dramatisch. Im Großen und Ganzen ist das gut gelaufen.
Was sagen Ihnen die Demonstranten, wenn Sie Ihnen begegnen?
Viele können mit Polizeiseelsorge nichts anfangen. Da gibt es Vorwürfe. Die sagen einfach, dass Polizei kein Raum für Kirche ist. Manche reden von Polizeinotstand. Andere sagen uns: Was ihr macht, geht schon in Ordnung.
Das Wort „Polizeinotstand“ teilen Sie nicht?
Es gibt doch einen ganz anderen Notstand: unseren Wohlstand.
Was erreichen Sie als Seelsorger?
Ich will, dass in der Polizei auch die Kirche präsent ist, die Polizei ist schließlich Teil der Gesellschaft. Wissen Sie, das Kreuz auf meinen Schultern ist kein Schmuckstein, das Kreuz ist sichtbar, es ist ein Zeichen, und unter diesem Zeichen steht die Arbeit hier.
Erinnert Sie der Polizeieinsatz nicht an den Herbst 89 in der DDR?
Ich habe so einen massiven Polizeieinsatz noch nicht erfahren. Da habe ich keine vergleichbaren Erinnerungen, da ich auch damals auf dem Dorf gelebt habe. Die Größe des Einsatzes mag daran erinnern, aber nicht das Vorgehen.INTERVIEW: THOMAS GERLACH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen