: Kasse zur Kasse gebeten
Das Landessozialgericht entschied, dass die Betriebskrankenkasse Berlin nicht eigenmächtig Zahlungen an Klinken kürzen darf. Diese sollen selbst entscheiden, wie lange Patienten bleiben
von CORINNA BUDRAS
Diese Runde geht an die Krankenhäuser: Das Landessozialgericht verdonnerte gestern die Betriebskrankenkasse (BKK) Berlin dazu, die Klinikbehandlungen der Versicherten vollständig zu übernehmen. Damit konnten fünf Krankenhäuser einen ersten entscheidenen Etappensieg im lange schwehlenden Krankenhausstreit erringen.
Der Rechtsstreit ist damit jedoch noch nicht vom Tisch. Das Urteil ist nämlich nur für die 32 verhandelten Fälle gültig. Noch aber stehen weitere 5.500 Verfahren aus, in denen sich die BKK nach wie vor weigert, die vollständige Rechnung zu begleichen. Insgesamt geht es um eine Summe von 38 Millionen Mark. Zudem ist gegen das gestrige Urteil noch eine Revision vor dem Bundessozialgericht möglich, die die BKK auch anstreben will.
Seit 1999 bezahlt die BKK für einen Großteil ihrer Mitglieder nur Teilbeträge an die Krankenhäuser. In den meisten Fällen hatte sie sich mit der Dauer des Krankenhausaufenthalts der Patienten nicht einverstanden erklärt und die Krankenhausrechnung nur bis zu dem von ihr festgelegten Datum bezahlt. Für den Restbetrag mussten die Krankenhäuser dann das Sozialgericht bemühen.
Das zentrale Argument der BKK: „In den konkreten Fällen hätten die Krankenhäuser nicht deutlich gemacht, dass der Aufenthalt der Patienten tatsächlich medizinisch notwendig gewesen seien“, betonte der Rechtsanwalt der BKK, Heinz Seher. Außerdem müsste die Kasse immer auch die Interessen ihrer Mitglieder im Auge haben, die nichts für die überlangen Liegezeiten könnten.
Das alles ließ Richter Wilfried Lösche aber nicht gelten. Über die Dauer des Klinikaufenthaltes habe der Arzt zu entscheiden. Zwar dürfe die Krankenkasse im Einzelfall tatsächlich die Notwendigkeit der medizinischen Behandlung anzweifeln und überprüfen lassen. „Allerdings sind die Krankenkassen in der Überprüfung nicht frei, sondern an den Krankenhausvertrag gebunden“, stellte Lösche klar. Dort ist die Befristung der Kostenübernahme nur in Ausnahmefällen vorgesehen.
Die Urteilsverkündung nahm Lösche zum Anlass, der mangelhaften Zahlungsmoral der BKK einen deutlichen Rüffel zu erteilen: „Die Sozialstaatlichkeit Berlins wird sich in Zukunft stark verändern, wenn die BKK so weitermacht.“ Tatsächlich ist das verantwortungslose Verhalten in doppelter Hinsicht ärgerlich. Zum einen wird die Arbeit des Sozialgerichts durch die Massenklagen der Krankenhäuser faktisch lahm gelegt. Zum anderen kommen auch die Krankenhäuser in erhebliche Zahlungsschwierigkeiten. Diese missliche Lage brachte Lösche denn auch dazu, ein sehr pessimistisches Zukunftsbild zu malen: „Wenn das so weitergeht, wird die Beendigung des Rechtsstreits letztendlich durch die Schließung der Krankenhäuser eintreten.“
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