: Dei Beste - für die Kirche nicht gut genug
Weil die Bremische Evangelische Kirche einer muslimischen Studentin das 5-Monats-Praktikum verweigerte, gehen die Eltern einer Schwachhauser Kita jetzt auf Streitkurs
Schon länger brodelt es in der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK). Für einen jüngsten Eklat sorgt jetzt die Elternschaft eines evangelischen Kindergartens in Schwachhausen. Die Eltern wollen nicht hinnehmem, dass Andersgläubige einen Arbeitsplatz unter Kirchendächern nicht antreten dürfen. Dafür haben die SchwachhauserInnen Unterschriften gesammelt, die nun beim Kirchenausschuss liegen. Im dazugehörigen Schreiben sprechen die Eltern sich dafür aus, dass in der Kirche „Menschenrechte geachtet“ werden müssten. Zugleich verweisen sie auf den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung, Artikel 3, wonach kein Mensch wegen seiner Hautfarbe, seines Geschlechts oder seines Glaubens (...) diskriminiert werden darf.
Anlass der Aktion war, dass die Kita eine Praktikumsstelle ausgeschrieben hatte – für die eine muslimische Studentin sich qualifizierte. Die junge Frau erschien der Leiterin der Einrichtung besonders geeignet für die integrative Betreuung von behinderten wie nichtbehinderten Kindern – mit der sich die Kita einen Namen gemacht hat. Doch die Studentin der Sozialpädagogik hatte kaum zwei Wochen ihres eigentlich fünfmonatigen Praktikums absolviert, da platzte die Bombe: Die junge Frau dürfe – auch befristet – nicht länger dort arbeiten, hieß es. Die Begründung: Sie gehöre keiner christlichen Kirche an.
„Ein Betriebsunfall“, lautete der im Ton bedauernde Kommentar seitens der Kirchenspitze über „das Missverständnis“. Weil die Stelle befristet als Ersatz für Zivildienststelle eingerichtet worden war, sei der Landesverband der evangelischen Kindergärten arbeitgeberseitig für den Arbeitsvertrag zuständig gewesen. Damit habe es sich nicht um eine Praktikumsstelle auf Gemeinde-Niveau gehandelt, „bei der kurzfristig auch Muslime beschäftigt werden dürfen“, wie der BEK-Justiziar, Johann-Daniel Noltenius, sagt. Der Landesverband aber dürfe nach dem Kirchengesetz mit einer Nichtchristin keinen Arbeitsvertrag abschließen. „Da sind unsere Gesetze eindeutig.“
Diese Unterscheidung haben noch nicht alle Schwachhauser Eltern verstanden – und manche mögen sie auch nicht machen. Die einen wollen für ihre Kinder die beste Praktikantin. Egal, ob sie Muslimin ist. Anderen geht es darum, in der Kirche etwas zu bewegen. In ihrem Protestbrief beziehen sie deshalb ausdrücklich Stellung als christliche Eltern – für die eine christliche Erziehung einen besonderen Stellenwert hat, mit einem besonderen Auftrag. In beachtlicher Schärfe heißt es in dem Schreiben: „Wir meinen, dass es nicht reicht, Wochen der Brüderlichkeit auszurufen.“ Brüderlichkeit müsse auch gelebt werden.
Zahlreiche Eltern haben diese Position unterschrieben, die jetzt beim noch amtierenden Präsidenten des Kirchenausschusses, Heinz Hermann Brauer, eingegangen ist. Anbei unter anderem die Zeilen: „Wir meinen, dass Kirche kein grundrechtsfreier Raum ist und um ihrer Glaubwürdigkeit Willen auch nicht werden darf – im Gegenteil.“ Die Eltern äußerten sich „tief betroffen“ von der Entscheidung, einen befristeten Vertrag unter Hinweis auf eine andere Glaubenszugehörigkeit zu verweigern – „ausgerechnet in einer Zeit, in der die Zahl ausländerfeindlicher und rassistischer Übergriffe gegen Mitbürger aus anderen Kulturen und Religionen in Besorgnis erregender Weise zunimmt.“ Sie hätten ihre Kinder bewusst einer integrativen Einrichtung anvertraut, „weil wir wollen, dass sie frühzeitig zur Toleranz erzogen werden, es als positiv erleben lernen, wenn Menschen anders sind als sie selbst.“
Im Landesverband und im Haus der Kirche verfolgt man diese Auseinandersetzung, die immer wieder an Einzelfällen hochkocht, schon länger. Dort ist bekannt, dass eine Kontroverse in Gröpelingen jüngst zugunsten einer türkischen Mitarbeiterin ausgegangen ist. Die Frau hatte über zehn Jahre lang auf Honorarbasis in einem evangelischen Kindergarten gearbeitet, in den auch viele nichtchristliche Kinder kamen. Erst jetzt ist sie dort fest angestellt worden – wozu wohl auch die geänderte Rechtslage über 630-Mark-Jobs beigetragen hat.
„Die beiden Fälle sind nicht vergleichbar“, sagt dazu zwar Noltenius. Die türkisch-stämmige Frau erfülle durch ihre muttersprachlichen Kenntnisse wichtige Aufgaben bei der Integration der Kinder. Insofern trage sie den „Verkündigungsauftrag in Wort und Tat“ der Evangelischen Kirche mit. „Mehr wohl in der Tat.“
Davon unabhängig bestätigt Ilse Wehrman vom Landesverband der evangelischen Kitas, dass die Praktikumsstelle der jungen Iranerin nur zu 18 Prozent aus eigenen Kirchenmitteln finanziert worden wäre. Sie sagt zugleich: „Uns ist das Problem bewusst“, zumal die evangelische Kirche auch viele muslimische Kinder in ihren Einrichtungen aufnehme. Im August werde es zu dem strittigen Thema Gespräche mit der Kirchenleitung geben. burro
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen