: Der 1. Mai soll in Gewahrsam
CDU will vorbeugende Haft vor dem Maifeiertag auf vier Tage verlängern. Schon am Wochenende zuvor sei mit Gewalt zu rechnen. Vorbild: die Maßnahmen bei den Castor-Transporten. SPD winkt ab
von BARBARA BOLLWAHNDE PAEZ CASANOVA
Noch ist die revolutionäre 1.-Mai-Demonstration in Kreuzberg nicht angemeldet. Trotzdem wirft der Tag der Arbeit schon jetzt seine Schatten voraus. Der innenpolitische Sprecher der CDU, Roland Gewalt, will mit Blick auf den 1. Mai die vorbeugende Haft für potenzielle Gewalttäter ausweiten. „Der Unterbindungsgewahrsam für Chaoten muss von zwei auf vier Tage verlängert werden.“ Denn bereits am Wochenende vor dem Maifeiertag sei erfahrungsgemäß mit Ausschreitungen zu rechnen.
Hintergrund seiner Forderung sind nach Angaben von Gewalt Maßnahmen der niedersächsischen Landesregierung im Zusammenhang mit dem Castor-Transport. „Erstmals wurden dort mehrere 100 potenzielle Störer mit richterlicher Anordnung drei bis vier Tage in Gewahrsam genommen“, so Gewalt. „Es wäre hilfreich, auch in Berlin Rädelsführer für mehrere Tage in Gewahrsam zu nehmen.“ Die Berliner SPD solle sich an dem SPD-regierten Niedersachsen ein Beispiel zu nehmen. Die CDU will den Unterbindungsgewahrsam seit Jahren verlängern.
Der innenpolitische Sprecher der SPD, Hans-Georg Lorenz, winkt ab. „Das wäre ein leichtfertiger Umgang mit der Freiheit von Menschen.“ Es bestehe keine Veranlassung, von der derzeitigen Regelung abzugehen. Lorenz bezeichnete es als „sehr schwer“, die „etablierten Gewaltrituale“ zu durchbrechen, solange die Schere zwischen Wohlhabenden und Ärmeren immer größer werde. „Man muss die Ursachen und nicht die Symptome bekämpfen.“ Lorenz kritisierte dabei auch seine eigene Partei. „Die SPD versteifte sich in den letzten Jahren aufs Sparen und auf hilfloses Zusehen.“
Auch der Fraktionschef der Grünen, Wolfang Wieland, lehnt eine Ausdehnung des Gewahrsams „grundsätzlich“ ab. Er setzt statt dessen auf eine Mischung aus dem polizeilichen Deeskalationskonzept, das in den vergangenen zwei Jahren „teilweise erfolgreich“ gewesen sei, und auf Gespräche mit den Veranstaltern. Im vergangenen Jahr hatte Wieland ein „breites gesellschaftliches Bündnis“ aus Gewerkschaften, Kirchen und politischen Organisationen bis hin zur Antifaschistischen Aktion angeregt. Es gebe „Bereitschaftserklärungen“ von Personen, daran teilzunehmen. „Es sind Dinge im Fluß“, deutete der grüne Innenpolitiker an. Noch aber sei nichts spruchreif.
Eberhard Schönberg, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), der im vergangenen Jahr die Diskussion mit der Forderung nach elektronischen Fußfesseln für Möchtegernrandalierer aufpeppen wollte, sagte gestern: „Selbst wenn wir acht Tage Gewahrsam hätten – am 1.-Mai-Einsatz würde das nichts ändern.“ Die bestehende Gesetzeslage sei ausreichend.
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