„Der Euro muss geliebt werden“

Urlaubssperre, Polizeipräsenz und Emotionen. Das alles ist zur Einführung des Euros notwenig. Sagt Reinhold Rickes, Eurobeauftragter der Sparkassen

Man muss deutlich machen, wieviele Menschen mit dem Euro verbunden sind.

Interview BEATE WILLMS

taz: Wenn man sich die Berichterstattung über den Euro ansieht, stellt sich der nächste Jahreswechsel ungefähr so dar: In Bankgebäuden brechen die Decken unter der Last alter und neuer Münzen durch, tausende gepanzerter Geldtransporter verstopfen die Straßen. Jeder rafft, was er kriegen kann. Polizisten und Sicherheitskräfte sind überfordert. Die Bundeswehr marschiert auf. Ausnahmezustand.

Reinhold Rickes: Wir sind heute so weit mit unserem Bargeldeinführungskonzept, dass wir technisch und logistisch einen reibungslosen Übergang erwarten dürfen. Auch im Sicherheitsbereich ist Ihr Szenario sicherlich übertrieben. Aber es gibt noch ein paar Knackpunkte: So haben wir zwar Polizeischutz zugesagt bekommen, aber vor Ort in den Präsidien fehlt oft noch die Sensibilität.

Was heißt das?

Während wir Urlaubssperren für alle Mitarbeiter ausgegeben haben, hören wir von den Behörden nichts dergleichen. Dabei ist doch klar, dass eine so einmalige Angelegenheit nicht ausschließlich Sache der Bankinstitute sein kann. Wir werden in unseren Gebäuden selbst für die Sicherheit sorgen, aber für die öffentliche Sicherheit ist die öffentliche Hand zuständig.

Und wie ist es mit folgendem Szenario? Kunden, die beim Bezahlen auf einmal Euros rausbekommen, sind verunsichert und drehen jeden Geldschein dreimal um. Kassiererinnen reagieren genervt. Läden schließen, weil kein Wechselgeld mehr da ist. Rentner fallen Neppern, Schleppern, Bauernfängern zum Opfer?

Wir wissen, dass das Probleme sein könnten. Unsere Umfragen zeigen, dass die Bürger über die Eckdaten der Bargeldeinführung nicht Bescheid wissen. Wir setzen deshalb alles daran, sie in der verbleibenden Zeit umfassend aufzuklären. Das fängt ja schon damit an, dass vielen gar nicht klar ist, dass wir den Euro längst haben.

War der Zeitraum zwischen der Euroeinführung und dem Eurobargeld dann nicht viel zu lang?

Es war ein Fehler, die dreijährige Phase nicht so zu begleiten, dass der Euro immer im Bewusstsein bleibt. Viele Bürger haben ihn als eine Art Ecu betrachtet, etwas Künstliches, das mit ihnen nichts zu tun hat. Siebzig Prozent aller Transaktionen in Deutschland werden in bar vorgenommen, die Deutschen lieben Bargeld. Da ist es kein Wunder, wenn ihnen der Euro ohne greifbare Ausformung fremd bleibt. Aber die Zeit haben wir einfach gebraucht: EU-weit werden 14 Milliarden Scheine produziert, das ist eine Strecke zum Mond und zurück. Und wenn man die Münzen aufeinander türmt, gibt das einen Berg wie den Mount Everest.

Und die müssen Sie unter das Volk bringen, das den Euro gar nicht haben will: Nach der jüngsten Allensbach-Umfrage haben drei Viertel der Bundesbürger wenig oder gar kein Vertrauen in die Währung. Was wollen Sie denen vermitteln?

Einfache Botschaften, die den Euro auch sympathischer machen. Sie müssen die Herzen gewinnen. Der Euro muss geliebt werden. Ich bin da sehr emotional.

Die erste große Kampagne der Regierung klang so: Der Euro bringt Frieden, der Euro bringt Sicherheit.

Das war zu einfach. Das weckt keine Emotionen.

Doch. Mich erinnerte das an die früheren Castor-Kampagnen der Atomindustrie.

Dann weckt es eben nicht die richtigen Emotionen. Wir haben der Bundesregierung den Rat gegeben, nicht so nüchtern und seriös vorzugehen. Man muss einen Aha-Effekt hervorrufen. Wir haben uns in unserer Werbekampagne auf die Rückholaktion konzentriert. Mit Motiven, wo der Bürger denkt: Hach, das ist aber mal witzig, wie da einer im Aquarium seine letzten Münzen sucht. Und das macht die ganze Sache sympathisch.

Aber was soll denn an einem Euro sympathisch sein, für den erst Stabilitätskriterien entwickelt wurden, die zu Sparprogrammen führten, und dessen Außenwert jetzt so vor sich hin dümpelt?

Die Reformen bei den Steuern, Renten und auf dem Arbeitsmarkt haben doch Vorteile gebracht. Und wann hat es das zuletzt gegeben, dass zwölf Europastaaten ihre Haushaltsdefizite freiwillig auf unter drei Prozent gedrückt haben? Der Euro ist das Mittel, das Völker zusammen bringt und Frieden sichert. Der alte Kommissionspräsident hat mal gesagt: „Nationalismus, c’est la guerre.“ Man muss deutlich machen, wie viel Bürger mit diesem Euro verbunden sind.

Wie erklären Sie sich, dass der Euro in Ostdeutschland noch misstrauischer betrachtet wird als im Westen?

Wir dürfen die Bürger in den Neuen Ländern nicht überfordern. Vor elf Jahren haben sie die Mark bekommen, die sie herbeigesehnt haben. Nun müssen sie die wieder hergeben. Im Westen wurde die Euroeinführung schon seit den Sechzigerjahren diskutiert. Und in den Siebzigern standen Helmut Schmidt und Valery Giscard d’Estaing bereits kurz vor der Taufe einer gemeinsamen Währung, als die Ölkrise dazwischen kam. Bis zu Helmut Kohl gab es also in den Alten Ländern eine lange Gewöhnung.

Wenn es Ihnen gelingt, die Liebe zum Euro zu wecken, haben Sie immer noch praktische Probleme. Immerhin müssen Sie 256 Milliarden Mark an Bargeld umtauschen.

Hundert Milliarden davon werden vermutlich über die ganz normalen Transaktionen, also über Einkäufe und andere Bezahlungen an uns zurückkommen. Am wenigsten wissen wir, was mit dem Rest auf uns zukommt.

Mit 156 Milliarden Mark Schwarzgeld?

Sicher ist ein Teil davon Schwarzgeld. Vor allem handelt es sich aber um gehortete Bargeldbestände. Die Oma mit dem Sparstrumpf, die junge Frau mit den Brautpfennigen im Westen oder der Sammler von Fünfmarkstücken aus den Neuen Ländern. Oder türkische Familien, die das ganze Jahr über Bargeld sammeln, um es im Sommer mit in die Heimat zu nehmen.

Deutsche lieben Bargeld. Da der Euro nur auf dem Papier existierte, blieb er fremd.

Und um dieses Geld zurückzuholen, starten Sie jetzt schon eine Kampagne?

Im Mai werden wir mit der großen Rückholaktion beginnen und erklären, dass es viel leichter ist, die Konten umzustellen, als säckeweise Bargeld einzutauschen.

Schwarzgeldbesitzer werden Sie damit kaum erreichen.

Wir wissen nicht, wie die auf unsere Kampagne reagieren werden. Ihnen sollte aber klar sein, dass die Sparkassen und Banken auch beim Bargeldumtausch, der für haushaltsübliche Mengen kostenlos ist, strikt auf die Geldwäschebestimmungen achten werden. Der Schwellenwert, ab dem eine Verdachtsanzeige geleistet wird, liegt dann nicht mehr bei 30.000 Mark, sondern bei 15.000 Euro.

Die ganze Umstellung wird ungefähr 40 Milliarden Mark teuer. Wer bezahlt das?

Die Kosten werden zum großen Teil bei die Sparkassen und Banken tragen. Wir haben schon zur Einführung der EWU gesagt, wir unterstützen die Währungsunion als Stabilitätsgemeinschaft. Nun haben wir die Vorteile des gemeinsamen Binnenmarktes und einer stabilen Währung. Die Bundesregierung hat Anreize geschaffen, dass wir günstiger wegkommen, je früher wir das Geld abnehmen. Das werden wir nutzen und die Vorteile zum Teil an den Handel weitergeben. Aber auf den Kosten für die Softwareumstellung und für Personal, also für die Pensionäre, die wir reaktivieren werden, und die Überstundenzuschläge, werden wir sitzen bleiben.

Und das geben Sie irgendwann an die Kunden weiter?

Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes hat öffentlich erklärt, dass die Eurobargeldeinführung eine einmalige Belastung sei, bei der wir uns in der Verantwortung sehen. Die tragen wir.

Reinhold Rickes ist Eurobeauftragter desDeutschen Sparkassen- und Giroverbandes(DSGV), der in diesem Jahr auch federführendim Kreditausschuss ist