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Lennons Locken, Jaggers Unwetter

■ Rund um Bremen lebt eine ganze Schar von Beatles- und Stones-Raritäten-Sammlern. Für eine Ausstellung mit Plakaten, Platten und sogar Reliquien im Kreismuseum Syke haben sie jetzt erstmals zusammen ihre Archive geöffnet

„Grandiose Show in der Halle – üble Krawalle auf der Straße. Die Polizei befahl: Wasserwerfer vor.“ Mit dieser Schlagzeile schockte die Hamburger Morgenpost am 14. September 1965 ihre LeserInnen und beschrieb das Konzert der Rolling Stones, die „wie ein Unwetter über Hamburg hinweggingen“. Dieser Artikel aus der Steinzeit des Rock'n'Roll ist nur eine von ungezählten Archivalien, Devotionalien und Reliquien, die jetzt im Syker Kreismuseum zu sehen sind.

Unter dem Titel „We love you“ erzählt der Museumsleiter Ralf Vogeding die Geschichte von den „wilden Stones“ und den „braven Beatles“. Mit viel Liebe zum Detail dokumentiert die aus privaten Sammlungen zusammengetragene Schau den Werdegang der beiden Bands, die alle Musikfans zwischen Abbey Road und Worphausen noch viele Jahre nach der Auflösung der Beatles 1970 in zwei Lager spalteten.

Rund um Bremen leben mittlerweile mehrere Musiker, Journalisten und Pop-Manager, die über ein gehöriges Insiderwissen und Archive aus den 60er Jahren und danach verfügen. Neben dem ehemaligen Beat-Cub-Moderator und eingefleischten Stones-Fan Gerhard Augustin (vgl. taz vom 29. März) gehört auch Günter Zint zu diesem illustren Kreis.

Der mittlerweile bei Worpswede lebende Fotojournalist und langjährige Macher der legendären St.-Pauli-Nachrichten war einer von wenigen, die 1966 die einzige Deutschland-Tournee der Beatles begleitet hatten. Im selben Jahr wurde er auch als Standfotograf für den Film „Wie ich den Krieg gewann“ engagiert, den Richard Lester mit John Lennon in der Hauptrolle in der Lüneburger Heide drehte. Für seine Rolle ließ sich Lennon eine Kurzhaarfrisur schneiden – Zint griff zu und verkaufte die Haare an die Bravo. In Syke sind jetzt einige Strähnen von Lennons Schopf zu bestaunen.

Außerdem soll ein komplettes Jugendzimmer im Stil der 60er die Atmosphäre einer Zeit wachrufen, die laut Museumsdirektor Vogeding „uns alle geprägt und die Gesellschaft verändert“ hat. Ein Plattenspieler, ein Tonbandgerät und Poster an den Wänden erinnern an eine Ära, in der Pop-Unwetter auch über manche Wohnung und Familie hinweggingen.

In anderen Räumen werden Originalplakate der großen Konzerte der Beatles und der Stones gezeigt. Bravo-Starschnitte, Plattencover, Originalautogramme und Fotografien, die der Sammler Gerd Coordes aus seinem eigenen Archiv entnommen oder selbst ausgeliehen hat, kommen hinzu. Coordes hat auch „Schmiddel“ alias Michael Schmidt aus Hamburg eingeladen. Der hat mit goldenen Schallplatten der Stones-Scheiben „Bridges to Babylon“ und „Voodoo Lounge“ Schmuckstücke beigesteuert.

Mit Uwe Blaschke gesellt sich ein weiterer leidenschaftlicher Jäger von Erinnerungsstücken zu den Leihgebern. Von ihm stammt das Originalcover der legendären Butcher-LP der Beatles, die wegen des anstößigen Covers – die „Fab Four“ in Schlachterkleidung mit Fleischstücken und geköpften Puppen – schnell wieder vom Markt genommen wurde und nicht wieder erschien.

Schließlich beschert mit Matthias Höllings ein weiterer Beatles- und Stones-Sammler einige Überraschungen. Seine Devotionalien umfassen Tonträger, Videoaufnahmen, Zeitschriften und Fotos. Eine lange verschollene und dann von ihm wiedergefundene Stones-Akte aus dem Jahr 1967 gehört zu den weiteren Besonderheiten.

al/rak/ck

„We love you“ bis 17. Juni im Kreismuseum Syke, Herrlichkeit 65, Öffnungszeiten: Di-Fr 14-17, Sa+So. 10-12 und 14-18 Uhr.

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